Page - 86 - in Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie
Image of the Page - 86 -
Text of the Page - 86 -
86 Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit
Gemahlin erbat, wurde jedoch deren ausschließliche Legitimierung durch den Willen und
die Zustimmung des Herrschers deutlich.
Besonders eindrucksvoll zeigte das – lange vor Napoleons bekanntem Krönungsakt 1804
– ein Fall wie der der preußischen Königinnenkrönung 1701, als Friedrich I. selbst seiner
Gemahlin die Krone aufsetzte. In der Zeremonialliteratur wurde dieser Akt entsprechend
interpretiert: „Die Cronen der Könige sind Ihre Königreiche; die Cronen der Königinnen
aber sind die Könige: welche nicht nur, wie alle Ehe-Männer, Cronen ihrer Ehe-Gatten
genennet werden; sondern auch würcklich, durch Aufsetzung einer Crone, den Glantz und
die Majestät Ihrer Würde Dero Gemahlinenn mittheilen“103. Damit vergegenwärtigte und
legitimierte der Ritus die hierarchisierte Geschlechterordnung – sowohl innerhalb des herr-
schenden Paares wie innerhalb der Gesellschaft, denn auch in diesem Sinne gilt ja, dass das
frühneuzeitliche Ritual herstellte, was es darstellte bzw. symbolisierte104.
Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen
und Konflikte
Die rituellen Elemente der Kaiserinnenkrönung als solche unterlagen, wie eben dargestellt,
zwischen 1612 und 1742 keinem signifikanten Wandel. Ein anderes Bild ergibt sich frei-
lich, wenn man vor dem Hintergrund dieser Grundstruktur andere Elemente, vor allem
Orte und Beteiligte sowie deren Inszenierung im Raum (sowohl der Kirche wie der Krö-
nungsstadt) betrachtet. Die hier zu beobachtenden Modifikationen waren teilweise ganz
praktischen Problemen geschuldet, so etwa 1630, als die Krönung der Kaiserin am Ende
des Kurfürstentages stand, der aufgrund der Kriegslage und der Erreichbarkeit in Regens-
burg stattfand. 1742 wurde der Ort der Krönung in der Frankfurter Krönungskirche Sankt
Bartholomäi deshalb verändert105, weil seit der letzten Krönung der mittelalterliche Lettner
abgebrochen und 1711 durch ein barockes Gitter ersetzt worden war.
Angesichts der kommunikativen Dimension von Ritualen ebenso wie ihrer Relevanz
für die frühneuzeitliche Verfassungswirklichkeit steht außer Zweifel, dass der zeremo-
niellen Ausgestaltung einzelner Elemente wie der ganzen Sequenz große Aufmerksam-
keit gewidmet wurde. Dies belegen Überlieferungen zu entsprechenden Fragen in den
Archiven vieler Beteiligter ebenso wie die eingangs schon angesprochene zeitgenössische
Berichterstattung in Druckmedien und die Aufnahme von Schilderungen in Tagebücher
und Briefe. Deshalb soll hier nun genauer danach gefragt werden, ob und wie Kaiser bzw.
103 Lünig, Theatrum ceremoniale, Bd. 1, 98. Dazu auch Gundermann, Salbung, 120f., 124.
104 Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, 10.
105 LANRWD, Kurköln VIII, Nr. 515, fol. 13r.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
back to the
book Die Kaiserin - Reich, Ritual und Dynastie"
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427