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Kaiser und Kurfürsten 87
Kurfürsten die Gestaltung der Krönungen für ihre Interessen nutzten, ob und inwieweit
der konkrete Ablauf von aktuellen Konstellationen beeinflusst war und wie sich die Diffe-
renzierung von Präzedenz und Zeremoniell innerhalb des Reiches abbildete – oder ob das
für die Kaiserinnenkrönung keine Rolle spielte. Um dies nachzeichnen zu können, soll im
Folgenden zunächst die Kaiserinnenkrönung im Spannungsfeld von Kaiser und Kurfürs-
ten und anschließend jeder der sechs Fälle einzeln kurz behandelt werden.
Kaiser und Kurfürsten
Keine frühneuzeitliche Wahl und Krönung eines Königs bzw. Kaisers fand ohne vorherige
Beratungen der Kurfürsten bzw. ihrer dazu entsandten Vertreter statt. Im Rahmen eines
solchen Kollegialtages diskutierte man den Ablauf der Wahl selbst ebenso wie den genauen
Wortlaut der Wahlkapitulation. Mit diesem Schriftstück106 wurde seit 1519 ein Herrschafts-
vertrag für die Regierungszeit des künftigen Kaisers geschlossen, in den vor allem die Kur-
fürsten als Wähler ihre Interessen einbrachten und somit Einfluss auf die Ausgestaltung
kaiserlicher Macht nahmen. Schließlich beriet der Kurfürstenrat auch über Einzelheiten
des Ablaufes der anschließenden Krönung des Gewählten und nahm damit seine Gestal-
tungsmacht hinsichtlich der wichtigsten sakralen Inszenierung des Heiligen Römischen
Reiches wahr. Über die teilweise monatelangen Debatten im Vorfeld informieren Korres-
pondenzen und Berichte der anwesenden kurfürstlichen Vertreter ebenso wie die Proto-
kolle der Sitzungen, die zugleich die inhaltliche Breite der dort verhandelten Gegenstände
und die Komplexität der Wahlkapitulationen deutlich machen. Dies hat etwa Axel Gott-
hard in seiner Untersuchung über die Kurfürsten vielfach herausgestellt107.
Eine genauere Nachsuche macht jedoch sichtbar, dass das Kurfürstenkolleg im Vor-
feld der Kaiserinnenkrönung auch mit dieser befasst war – freilich in ganz anderem Aus-
maß als hinsichtlich der des Kaisers. Gab es hier wie gesagt gewöhnlich wochen-, teil-
weise monatelange Verhandlungen mit Dutzenden von Zusammenkünften, finden sich
für die Kaiserin zunächst ein oder zwei Beratungen des Kurfürstenrates, später wuchs die
Zahl langsam an108. Bislang konnten für alle Krönungen außer 1630 Protokolle dieser Be-
ratungen aufgefunden werden; das gesamte Material der diplomatischen Korrespondenz
in diesem Zusammenhang harrt allerdings noch einer Auswertung. Hier soll der Inhalt
dieser Beratungen des Kurfürstenrates nachgezeichnet und damit danach gefragt werden,
106 Burgdorf, Wahlkapitulationen; Ders., Protokonstitutionalismus.
107 Gotthard, Säulen des Reiches, z. B. 294–297. Zur Arbeitsweise des Kurfürstenrates siehe auch
Becker, Kurfürstenrat, 278–302.
108 Siehe dazu Tabelle 2 am Ende dieses Abschnittes.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427