Page - 20 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Image of the Page - 20 -
Text of the Page - 20 -
Einführung20
zeption des italienischen Musiktheaters die verschiedenen Umsetzungen der Gat-
tung Libretto im Mittelpunkt. Die von Kaiserin Eleonora II. Gonzaga aus Mantua
vermittelten und in Wien weiter entwickelten Musikdramen religiösen Charakters
bieten neben den auch in Italien üblichen Sacre rappresentazioni zwei spezifische Aus-
formungen, die in ihrer Struktur entscheidend durch die zeremoniellen Programme
des Kaiserhofes geprägt werden: das Sepolcro (d.h. die Sacra rappresentazione vor einer
Rekonstruktion des Heiligen Grabes während der Karwoche) und das Oratorio, das
in seinen ersten Belegen durch die Einführung eines Erzählers ( Testo), der den bib-
lischen Text in Erinnerung ruft, gekennzeichnet ist. Bei einer inhaltlichen Analyse
dieser Werke treten die erstaunliche Komplexität der theologischen Motive, eine
unerwartete Auseinandersetzung mit aktuellen wissenschaftlichen Fragen sowie eine
bemerkenswerte Übertragung stilistischer Mittel aus der Tradition des Petrarkismus
und des Marinismus zu Tage, welche diese Texte zu aufschlussreichen Zeugnissen der
Mentalität ihrer Zeit machen.
Die unterschiedlichen Darbietungen von profanen literarischen Texten mit Musik-
begleitung in konzertanter, halbszenischer oder szenischer Form erstrecken sich von
relativ kleinen Libretti für Serenaden, Kammerfeste sowie andere Kleinformen, von
Einleitungen zu Balletten, Aufzügen und der spektakulären Inszenierung von Rossbal-
letten über die meist dreiaktigen musikalischen Feste und Faschingsopern bis zu den
fünfaktigen großformatigen Opern zu Geburts- und Namenstagen sowie zu Geburten
und zu Hochzeiten im Kaiserhaus. Diese Werke gliedern sich in ein Festprogramm
am Kaiserhof ein, dessen jährliche Stationen neben den saisonalen Unterhaltungen
(Faschings- und Sommerfeste) durch die wiederkehrenden persönlichen Feiertage des
Herrscherpaares, der Kinder bzw. der Kaiserin-Witwe, sowie durch außergewöhnliche
Ereignisse dynastischer Natur festgelegt sind. Da die Übergänge zwischen den einzel-
nen Gattungen nicht immer klar erkennbar sind bzw. sich im Laufe der Entwicklung
auch verschieben, scheint es sinnvoll, die Werke nach ihrer jeweiligen Bestimmung zu
gruppieren, um daraus gewisse Charakteristika abzuleiten. Als ein wesentliches Merk-
mal jener Libretti, welche dem Anlass entsprechend Mitglieder der Herrscherfamilie
persönlich in den Mittelpunkt stellen, kann ohne Zweifel die Licenza gelten: Es han-
delt sich dabei um eine besonders feierliche Schlussszene, in der die Hauptpersonen
der abgelaufenen Handlung in die Gegenwart überwechseln und sich stellvertretend
für alle beteiligten Künstler von der im Mittelpunkt des Interesses stehenden Person
oder Personengruppe mit einer meist allegorischen Huldigung verabschieden. Diese
Licenza wird in der Regel bei Wiederaufführungen einer Bearbeitung unterzogen, um
sie dem neuen Anlass anzupassen, oder aber zur Gänze gestrichen, weil sie den verän-
derten Umständen nicht mehr entspricht.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549