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Der italienische Humanismus in
Österreich56
den verheirateten Männern ermöglicht. In Szene III wird die eheliche Treue als un-
mögliche Forderung bezeichnet, in IV schwärmt Charinus von seinem ausschweifen-
den Leben als Junggeselle, in V eine alte Kupplerin von den Freuden des Alkohols,
und in X erlebt man die spezielle Genugtuung von Chrysis und Cassina, regelmäßig
ihre Liebhaber zu wechseln. Viele Szenen tragen eigentlich nichts zur Handlung bei
und könnten im Sinne einer aufbauenden Dramatik auch gestrichen werden: in VI
bezeichnet sich Dyophanes resigniert als völlig der Kurtisane Cassina verfallen, Szene
VIII bietet eine eindrucksvolle Liebesklage des jungen Charinus, in VII und XVI de-
monstriert ein Koch seine Fresslust. Dass zahlreiche Scherze einen ausgesprochen
frauenfeindlichen Hintergrund haben, passt in die theologische Grundhaltung der
Zeit, und dass häufig Kommentare über das Verhalten der Herren durch deren Die-
ner karikaturhaft ausgespielt werden, gehört zur Natur einer sozialen Komödie.
Piccolominis Chrysis endet mit einer deutlichen moralischen Belehrung: strebe
nach Tugend und meide Kurtisanen, Kupplerinnen, Schmarotzer und wilde Gelage.
Im Widerspruch dazu steht aber, dass die Hauptfiguren für ihre Laster am Ende
nicht wirklich büßen. Das mag neben doch kräftigen sprachlichen Formulierungen
der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass der spätere Papst Pius II. dieses Werk aus
der Überlieferung tilgen wollte.
I.3 Die Humanisten an den Höfen und Universitäten
Trotz der inhaltlichen Ausrichtung nach dem Modell von Paris machen sich an der
Universität Wien ab dem beginnenden 15. Jahrhundert zunehmend Einflüsse aus
Bologna und Ferrara selbst auf die am stärksten den mittelalterlichen Program-
men verpflichtete theologische Fakultät bemerkbar. Diese Kontakte beruhen ohne
Zweifel auf dem regen Austausch von Studierenden und Lehrenden zwischen den
nordostitalienischen (vorwiegend Padua, Bologna und Ferrara) und den zentraleu-
ropäischen Universitäten, welche in allen Disziplinen vor allem dem in Italien refor-
mierten Lateinunterricht ein wachsendes Interesse entgegen bringen.87
Darüber hinaus fördern die großen Konzile des 15. Jahrhunderts schon beste-
hende Kontakte zwischen den Intellektuellen in der katholischen Kirche, an den
87 Vgl. Tibor Klaniczay: The Concepts of Hungaria and Pannonia in the Age of the Renaissance. In: Hun-
garian Studies X.2 (1995), S. 173–189; besonders S. 176–184. – Ágnes Ritoók-Szalay: Der Humanismus
in Ungarn zur Zeit von Matthias Corvinus. In: Winfried Eberhard / Alfred A. Strnad (Hg.): Humanismus
und Renaissance in Ostmitteleuropa vor der Reformation. Köln / Weimar / Wien 1996, S. 157–172;
besonders S. 169.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549