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steinernen Symbol der Madre Idea (= die Nachfolge Leopolds bzw. die österrei-
chische Erbfolge) mit Hilfe ihres Gürtels an Land zieht. Auf diese Art stellt sich
der barocke Hof mit dem Herrscherpaar an der Spitze in eine mythologische und
historische Tradition, welche mittels zum Teil äußerst überraschender inhaltlicher
Motive und in überwältigend sinnlicher Inszenierung die Begründung für außerge-
wöhnliche Fähigkeiten und die Aussicht auf noch größeren Ruhm liefern soll.
Bereits um 1700 etabliert sich derart eine erstaunliche Kontinuität in den Stoffen
und Motiven der italienischen Literatur in Österreich, deren Schwerpunkt quanti-
tativ und qualitativ eindeutig im Bereich des Librettos liegt, wobei in einer nahezu
über ein Jahrhundert sich erstreckenden, für die höfische Repräsentation bestimmten
Produktion sich durchaus Entwicklungen in der gedanklichen und stilistischen Aus-
arbeitung der jeweiligen Themen erkennen lassen. Die Werke des 17. Jahrhunderts
konzentrieren sich gemäß den Auffassungen des Barock auf die exemplarische, zum
Teil auch komparativ angelegte Darstellung von außergewöhnlichen Gemütsbewe-
gungen, in der Absicht, in beeindruckender Expressivität alle denkbaren Register der
menschlichen Affekte vor Augen zu führen und daraus gemäß dem aristotelischen
Prinzip von Mitleid und Schrecken die belehrenden Schlussfolgerungen abzuleiten.
Unter dem Einfluss der Stilprinzipien der klassischen französischen Tragödie
und vor allem dank der wachsenden Präsenz von Vertretern der römischen Reform-
akademie Arcadia verbreiten sich ab dem Beginn der Herrschaft von Karl VI. früh-
aufklärerische Gedanken, welche die literarische Produktion in eine andere Rich-
tung lenken. Als bestimmender Faktor der menschlichen Würde wird die Vernunft
in Opposition zur degradierenden Emotionalität gesetzt und als eine von Gott ver-
liehene Fähigkeit deklariert, deren bestimmende Kraft positive Entwicklungen för-
dert. Im Handlungsablauf der Libretti tritt nun die Umsicht der Herrscherpersön-
lichkeit, deren entwürdigende Zügellosigkeit nur Unglück bringen kann, im Sinne
einer Erkenntnis ihrer wahren Aufgabe, nämlich dem Schutz der ihr anbefohlenen
Untertanen und der Förderung einer allgemeinen Wohlfahrt, in den Vordergrund.
Bemerkenswert scheint auch, in welchem bisher kaum dokumentierten Umfang ita-
lienische Intellektuelle aus Wissenschaft und Technik die literarische Produktion
der Hofdichter begleiten und unterstützen. Diese intensivere Verflechtung mit Ent-
wicklungen in Italien wird nicht zuletzt durch die zeitweilige Ausdehnung des Herr-
schaftsgebietes auf das Königreich Neapel und die Lombardei gefördert.
Die vom weiterhin gepflogenen Festprogramm glorifizierten Mitglieder der kai-
serlichen Familie werden demnach immer weniger in ihrem eigenen dynastischen
Ruhm, sondern immer mehr in ihren hervorragenden Tugenden zum Nutzen des
Gemeinwohles dargestellt. Geeignete Figuren aus der Mythologie wie Herkules
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549