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23Einführung
(z.B. Ercole in cielo von Pietro Pariati) oder aus der antiken Geschichte wie Scipio
(z.B. Scipione nelle Spagne von Apostolo Zeno) illustrieren die auch in der Devise des
Herrschers genannten wesentlichen Charaktereigenschaften, die 1723 in der Krö-
nungsoper Costanza e Fortezza von Pariati zum titelgebenden Thema der Darbie-
tung werden. Selbst die Faschingsopern reihen sich mit wenigen Ausnahmen (z.B.
jene über den Don-Quijote-Stoff) in die Kategorie des historischen Librettos ein
und bieten moderate Beispiele von eher tragikomischen Situationen, welche nicht
mehr wie bei Minato das radikale Potential einer verrückten Gegenwelt haben.
Mit der Berufung von Pietro Metastasio, der ab 1729 für mehr als ein halbes
Jahrhundert als Hofdichter in Wien tätig ist, erreicht die italienische Literatur in
Österreich den Gipfel ihrer Bedeutung im Verhältnis zu der Produktion auf der
Apenninenhalbinsel, weil damit der zu dieser Zeit in seinem Heimatland bedeu-
tendste Autor in einem Gebiet außerhalb der eigenen Nationalliteratur wirkt. Ne-
ben der reichen Produktion in den zwei Generationen vor und der einen Generation
nach Metastasio dokumentiert vor allem das Werk dieser Dichterpersönlichkeit den
Anspruch der österreichischen Länder, den bedeutendsten Beitrag aller nicht italo-
phonen Gebiete zur italienischen Literatur geleistet zu haben.
In dem quantitativ relativ bescheidenen, in seiner poetischen Qualität von der
Kritik aber hoch gelobten Œuvre Metastasios entfaltet sich in den beispielhaften
Handlungen der zumeist historischen Figuren das bereits zuvor entwickelte Ge-
dankengut der Aufklärung. Das gilt beispielhaft für sein beinahe 60 Jahre nach der
Erstaufführung von W. A. Mozart wieder aufgegriffenes Libretto von La clemenza di
Tito (1734). In einer Kombination von römischer Historiographie, antiker Moral-
philosophie und spätbarocken Vorbildern geht es bei dieser Auffassung vom (Musik)
Theater nicht mehr um die Darstellung von Herrschertugenden anhand historischer
Persönlichkeiten und Gegebenheiten, sondern hier steht mit Tito laut Einschätzung
der Zeitgenossen eigentlich Kaiser Karl VI. selbst auf der Bühne. Die Milde des
Herrschers erhöht seine moralische Überlegenheit über seine Feinde, seine vorbild-
liche Geduld bringt Verlorenes zurück und sichert das Bestehende, so dass das Recht
letzten Endes deshalb siegen kann, weil aus der Höhe der kaiserlichen Machtposi-
tion im göttlichen Auftrag Gnade erteilt wird. Sowohl in seinen geistlichen als in
seinen weltlichen Libretti manifestieren sich Metastasios aufklärerische Ideen von
der dank göttlicher Gnade sich ausbreitenden Vernunft in der in seinen Werken
immer wieder abgewandelten Lichtmetaphorik. Dieser Symbolgehalt des Lichtes
als göttliche Quelle der menschlichen Erkenntnis wird häufig als Brennpunkt der
moralischen und philosophischen Tugenden mit anderen ebenso metaphorisch dar-
gestellten Vorzügen des Kaiserhofes kombiniert.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549