Page - 66 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Image of the Page - 66 -
Text of the Page - 66 -
Der italienische Humanismus in
Österreich66
mit den Räten Blasius Hölzel und Maximilian Zevenbergen. Ab 1515 ungefähr über-
nimmt Sbrulio, der von seinen deutschen Kollegen fallweise als korrupter Wander-
humanist ohne poetisches Talent angegriffen wird,120 vielfältige Auftragsarbeiten für
den kaiserlichen Hof. Der Kaiser selbst beauftragt ihn mit einer lateinischen Überset-
zung des Theuerdank, in der Sbrulio das Proömium nach den Regeln des klassischen
Epos neu gestaltet, die Namen oberflächlich latinisiert,121 zahlreiche Episoden der
antiken Mythologie einfügt und sich um eine allegorische Überhöhung der im Kern
historischen Geschehnisse des deutschen Originals bemüht.122
Zum Bindeglied zwischen italienischer und deutscher neulateinischer Literatur
wird der bedeutendste Exponent des humanistischen Fürstenlobes am Hof von Kai-
ser Maximilian I.:
Das summum opus der höfischen Panegyrik zu schreiben, blieb Riccardus Bartho-
linus aus Perugia vorbehalten, der aus Anlaß des Bayerischen Erbfolgekrieges
(1504 /5) ein Epos Austrias verfaßte, das zur Verherrlichung des »Hauses Öster-
reich« angelegt ist, vergleichbar mit den unerfüllten Plänen des Celtis einer Ma-
ximilianeis und parallel zur poetischen Umsetzung der res gestae des Kaisers in
den deutschsprachigen Werken >Theuerdank< und >Weißkunig<.123
Riccardo Bartolini, zwischen 1470 und 1475 in der Nebenlinie einer berühmten Ju-
ristenfamilie seiner Heimatstadt geboren, studiert neben Theologie auch Poetik und
Rhetorik bei Francesco Maturanzio (1443–1518) und bereitet eine klerikale Karriere
unter Protektion seines Onkels Mariano Bartolini vor. Er kommt zunächst in Beglei-
tung seines Onkels, des päpstlichen Nuntius, der ein Bündnis gegen Venedig verhan-
deln soll, von 1504 bis 1507 an den kaiserlichen Hof und gehört später, von 1513 bis
1519, als Kaplan von Kardinal Matthäus Lang, dem Bischof von Gurk, zu den einfluss-
reichsten Humanisten in Österreich. Im Gefolge seines Onkels wohnt er 1506 auch
der feierlichen Translation der Gebeine des Heiligen Leopold in Klosterneuburg bei.
Nach ausgedehnten Reisen Bartolinis hauptsächlich zwischen Wien, Preßburg, Bu-
dapest und Innsbruck erscheint 1515 in Wien bei Hieronymus Vietor124 im Auftrag des
120 So z.B. Helius Eobanus Hesse in seiner 10. Ekloge.
121 Romricus, Erenrica, Theuerdankus, Infoelix u.ä.
122 Vgl. Jan-Dirk Müller: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. München 1982,
S. 159 –169.
123 Stephan Füssel: Riccardus Bartholinus Perusinus. Humanistische Panegyrik am Hofe Kaiser Maximilians
I. Baden-Baden 1987, S. 31.
124 Hieronymus Büttner, latinisiert Vietor, aus Liebenthal erwirbt 1499 an der Universität Krakau den Grad eines
Baccalaureus und erlernt in der dortigen Offizin von Johannes Haller das Druckerhandwerk. Er ist ab 1509 als
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549