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73Die
Späthumanisten zwischen Wien und Prag
ximilian II. zu untersuchen,135 und veröffentlicht bei dieser Gelegenheit, 1574 in
Wien bei Kreuzer, eine medizinisch-moralphilosophische Abhandlung über Liebe
und Glück (De amore atque felicitate). In Einzelfällen nehmen immer wieder italieni-
sche Ärzte wichtige Positionen am Wiener Hof ein, wie das Beispiel von Pio Nic-
colò Garelli (1670 –1739), Leibarzt von Karl VI. und Leiter der Hofbibliothek, zeigt.
Einen der letzten Höhepunkte der humanistischen Enkomiastik stellt die Aus
trias
von Rocco Boni dar: der sonst völlig unbekannte friulanische Dichter aus Tol-
mezzo136 veröffentlicht 1559 in Wien bei Michael Zimmermann ein lateinisches
Huldigungsgedicht auf die 1558 in Frankfurt erfolgte Proklamation Ferdinands I.
zum Kaiser.137 In den beiden ersten der vier Bücher dieses Epos in Hexametern
schildert der Autor antike Götterfiguren und allegorische Gestalten, die sich in Ge-
sprächen und Versammlungen mit der aktuellen politischen Lage des Reiches, ins-
besondere mit der Möglichkeit einer Bedrohung durch die Türken von außen und
eines deutschen Bürgerkrieges im Inneren beschäftigen. Das dritte Buch besteht aus
einer detailreichen Huldigung der außergewöhnlichen Qualitäten des neuen Kai-
sers, in welcher der Autor die Übertragung des Amtes von seinem Bruder Karl V.
als exemplarische Entscheidung würdigt und damit diese völlig neue Vorgangsweise
in der Thronfolge rechtfertigt. Im vierten Buch prophezeien schließlich die zehn
Sibyllen dem nunmehrigen Thronfolger Maximilian, dass er nach einem glorreichen
Sieg über die Heiden einer im christlichen Glauben geeinten Welt vorstehen werde.
Die konventionellen Motive der antiken Epik (Götterapparat, Prophezeiungen,
Ahnenschau, Traumvisionen) und die bewusste Imitation der lateinischen Vorbilder
werden hier konsequent aufgeboten, um eine durchaus parteiische Stellungnahme
zu aktuellen Fragen abzugeben. Ohne die konfessionelle Situation im deutschen
Sprachraum zu berücksichtigen und ohne auf die mit dieser Wahl übergangenen
Ansprüche von König Philipp II. – immerhin der Sohn von Karl V. – einzugehen,
stellt Bonis Austrias den neuen Kaiser in die Linie seiner ruhmreichen Vorfahren.
Gesichert durch die pompöse Autorität olympischer Entscheidungen und in An-
lehnung an ebenso besungene Herrschergestalten der Antike kann laut Dichter der
neue Kaiser die Autonomie seiner Universalmonarchie selbst gegenüber dem Papst
vertreten:
135 Beschrieben in seiner Brevis excussio praecipui morbi, nempe cordis palpitationis Maximiliani II. (Florenz
1580).
136 Er bezeichnet sich im Titel als „Rocchum Bonnium Tulmetinum“; die hier verwendete Form des Na-
mens erscheint in dem Nachdruck: L’Austriade di Rocco Bonii. Carmi di Raffaele Zovenzoni. Triest 1862.
137 Elisabeth Klecker / Franz Römer: Die Kaiserproklamation Ferdinands I. im Spiegel eines lateinischen
Huldigungsgedichtes. Zur Austria des Rocco Boni (Wien 1559). In: Martina Fuchs / Alfred Kohler (Hg.):
Kaiser Ferdinand I. Aspekte eines Herrscherlebens. Münster 2003, S. 217–233.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549