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83Petrarkismus
und protestantischer Adel
vertraut machen, die in Folge der italienischen Erziehungstraktate des 16. Jahrhun-
derts immer mehr an Bedeutung gewinnen. Der aus Niederösterreich stammende,
protestantische Freiherr Hans Christoph Teufel (1567–1624) unternimmt im An-
schluss an sein Studium in Padua, Bologna und Siena 1587 von Venedig aus eine
Orientreise, über die er einen ausführlichen Bericht auf Italienisch verfasst, der 1598
in Wien bei F. Kolb erscheint (Viaggio fatto di Constantinopoli verso il Levante). Teufel
beschreibt in 32 Kapiteln seine am 9. September 1587 begonnene Reise von Venedig
über Ragusa (Dubrovnik) nach Konstantinopel, Rhodos, Ägypten, Syrien, Arme-
nien, Persien, Palästina, Zypern, Korfu und schließlich Anfang 1590 zurück nach
Venedig. Diese Veröffentlichung in ihrem sozialgeschichtlichen Zusammenhang als
eine der wichtigsten Reisebeschreibungen des 16. Jahrhunderts illustriert die bedeu-
tende Position der italienischen Sprache beim österreichischen Adel noch vor der
profunden Italienisierung des Kaiserhofes um die Mitte des 17. Jahrhunderts.
Dazu tragen außerdem Persönlichkeiten bei, die zwischen dem Hof und dem
Landadel durch ihre freundschaftlichen Kontakte vermitteln, wie der aus Bologna
stammende Cambise Bianchi del Piano: er verbringt um 1650 einige Zeit am Wie-
ner Hof und knüpft zugleich aus Interesse an der deutschsprachigen Literatur gute
Kontakte zum protestantischen Adel. Bianchi del Piano fördert die Rezeption von
italienischer Literatur in Original und in Übersetzung,153 verfasst deutsche Lob-
gedichte auf seine Freunde und wird dafür unter dem Namen Der Seltene in die
Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen.
Eine zentrale Stellung innerhalb des literarisch interessierten und produktiven
Adels in Niederösterreich nimmt ohne Zweifel Johann Wilhelm von Stubenberg
(1619–63) ein, Besitzer der Schallaburg und ab 1648 auch Mitglied der Frucht-
bringenden Gesellschaft (Der Unglückselige), welcher als Vermittler und Übersetzer
italienischer Barockromane im deutschen Sprachraum nicht hoch genug geschätzt
werden kann. Seine Person und sein Freundeskreis sind typisch für die protestanti-
schen Adelsschriftsteller in Österreich, die wegen mangelnder Förderung durch den
katholischen Kaiserhof verstärkt Anschluss an die Sprachgesellschaften in Deutsch-
land suchen und ihre Werke vorwiegend in Nürnberg drucken lassen.
Für ihr literarisches Schaffen noch bedeutender als Stubenberg selbst ist seine
Schülerin Catharina Regina von Greiffenberg (1633–94), die italienische Bittschrif-
ten verfasst und Paraphrasen auf italienische Sinnsprüche in ihre deutsche Dichtung
einstreut.154 Ihr Vater Hans Gottfried von Greiffenberg und ihr Stiefonkel (und spä-
153 Er berät u.a. Johann Wilhelm von Stubenberg bei der Übersetzung der Eromena von Giovanni Francesco
Biondi.
154 Vgl. Horst-Joachim Frank: Catharina Regina von Greiffenberg. Leben und Welt der barocken Dichte-
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549