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109Reformorden
aus Italien und ihre Volksmissionen
rend der Wintermonate nach Italien zurück kehrt, und für Graz, wo er 1600 eine
weitere Gemeinschaft ins Leben ruft.214 Erst 1622 wird mit dem 1617 kurz vor ih-
rem Tod von Kaiserin Anna (1585–1618), der Gemahlin von Kaiser Matthias (1557–
1619), gestifteten Klosterbau auf dem Mehlmarkt (heute Neuer Markt) in Wien
begonnen,215 1633 werden die ersten Sarkophage (jene des Stifterpaares Anna und
Matthias) in der berühmten Gruft beigesetzt. Lorenzo da Brindisi nimmt 1601 aktiv
an der ungarischen Kampagne der kaiserlichen Truppen gegen die Türken teil und
soll laut Überlieferung mit der rhetorischen Kraft seiner Predigten einen wesent-
lichen Anteil am Sieg bei Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) am 14. Oktober 1601
gehabt haben.
Neben dem 1602 in Böhmen nachweisbaren Mattia Bellintani da Salò (1534–
1611) trägt besonders Fra Cosmo da Castelfranco (eigentl. Paolo Piazza, 1560–
1620), gleichzeitig Maler aus der Schule von Paolo Veronese, zum Ansehen der
Kapuziner in den habsburgischen Ländern bei, umso mehr als er sowohl in seiner
künstlerischen als auch in seiner spirituellen Tätigkeit von Kaiser Rudolf II. geför-
dert wird.
Die wohl herausragendste Persönlichkeit unter den italienischen Kapuzinermön-
chen in Österreich ist der am Jesuitenkolleg in Görz erzogene Marco d’Aviano
(1631–99): 1680 unternimmt er seine erste Missionsreise nach Tirol, Salzburg und
Oberösterreich, wo er während seines zweiwöchigen Aufenthaltes in Linz von Kai-
ser Leopold I. empfangen wird. Diese Begegnung leitet intensive religiöse und poli-
tische Kontakte der beiden ein, so dass Marco d’Aviano einen bedeutenden Einfluss
auf die kaiserlichen Entscheidungen gewinnt. Den Höhepunkt seines Ansehens er-
reicht Marco d’Aviano durch sein unermüdliches Werben unter den europäischen
Fürsten für eine Allianz gegen die osmanische Expansion in Richtung Mitteleuropa.
Sein persönlicher Einsatz bei diplomatischen Gesandtschaften und durch populäre
Predigten, nicht nur auf Latein und in deutscher Übersetzung, sondern auch auf
Italienisch,216 trägt wesentlich zur Zerschlagung der Belagerung von Wien 1683
durch ein christliches Heer unter der Führung des polnischen Königs Johann So-
bieski bei. Auf den anschließenden Feldzügen in Ungarn und auf dem Balkan, in
214 Vgl. Richard Peinlich: Die Gegenreformation zu Graz im Jahre 1600 und Lorenz von Brindisi. Abschnitt
der Localgeschichte. Graz 1882. – Norbert Stock: Leben und Wirken des heiligen Lorenz von Brindisi
aus dem Kapuziner-Orden. Brixen 1882.
215 In den ersten Jahren nehmen die Kapuziner Quartier bei den Serviten, 1603 bauen sie eine Klosterkirche
in der Vorstadt Neustift (am Standort der heutigen Mechitaristen-Kirche), die 1683 während der Tür-
kenbelagerung vollständig zerstört wird.
216 Vgl. Silvano Cavazza: Religione, cultura e società nelle province austriache. Un bilancio storiografico. In:
Cavazza (Hg.): Controriforma, S. 109–124; hier S. 110.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549