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Die italienische
Improvisationskomödie164
Der komische Inhalt, der als unterhaltsames Moment befreienden Lachens dient,
transportiert auch eine sozialpolitische Aussage, die heldenhaften Führungspersonen
ein Recht auf leitende Funktionen einräumt und die ihnen untergebenen Dienerge-
stalten, die wegen ihres Mangels an charakterlichen Qualitäten keine andere Posi-
tion verdienen, auf den ihnen gesellschaftlich zukommenden Platz verweist.
In dieser Hinsicht bedeutet die Verwandlung der Masken der Commedia
dell’arte in die komischen Dienerfiguren der Hofoper nicht nur eine formale
Transformation auf der Ebene der Namen und der nun bevorzugten Textstellen
des Repertoires, sondern verändert auch deren Aussagekraft: In der Improvisa-
tionskomödie kompensieren die mit einer primitiven Schlauheit ausgestatteten
Diener, welchen ohne Zweifel die Sympathie des lachenden Publikums gilt, die ma-
terielle Ungerechtigkeit der Gesellschaft, indem sie sich an den etwas dümmlichen
Herrschaften schadlos halten. Die Spaßmacher der Hofoper hingegen bestätigen
durch ihre charakterlichen Schwächen die soziale Ordnung, deren oberste Vertre-
ter auf den vordersten Zuschauerrängen sitzen und die in der Fürstenverehrung der
Schlussszene bejubelt werden.
Figuren mit der Bezeichnung Bauer (villano) oder Diener (servo), mit dem Zusatz
lustig (faceto) oder alt (vecchio) und fallweise mit einer körperlichen Deformation, um
deren komische Funktion anzuzeigen, übernehmen die Funktion einer der Masken
der Commedia dell’arte. So z.B. in Il Ciro crescente von Aurelio Amalteo, einer Folge
von drei Szenen, welche im Juni 1661 in Schloss Laxenburg zusammen mit einer
Adaptierung von Guarinis Pastor fido mit der Musik von Antonio Bertali und der
Ballettmusik von Wolfgang Ebner aufgeführt wird: der Autor begnügt sich nicht mit
Mandello, servo faceto di Celindo, sondern fügt noch ein lächerliches Paar (Caracaglio
Tartaglia, servo di Tigrane, e Felerinda Tartaglia, serva di Berenice) hinzu, welches in
seinen Ehestreitigkeiten die amourösen Abenteuer seiner Herrschaften karikiert.
In den Libretti von Antonio Draghi, der zur Regierungszeit von Leopold I. der
bedeutendste Komponist am Wiener Kaiserhof ist,359 finden sich z.B. Cimerone Bi-
folco in L’Alcindo per musica vom Juni 1665 (mit der Musik von Antonio Bertali und
der Ballettmusik von Johann Heinrich Schmelzer) oder Sardellone Villano und Bef-
fana Vecchia Villana in der von Draghi, Leopold I. und Schmelzer 1666 vertonten
Mascherata.
In L’Almonte per musica von Antonio Draghi (im Juni 1661 mit der Musik von
Giuseppe Tricarico in der Favorita aufgeführt) tritt ein Gelone servo Parasito auf und
359 Rudolf Schnitzler: The Sacred Dramatic Music of Antonio Draghi. Diss. Univ. of North Carolina, Chapel
Hill 1971. – Emilio Sala / Davide Daolmi (Hg.): „Quel novo Cario, quel divin Orfeo“. Antonio Draghi da
Rimini a Vienna. Atti del convegno internazionale Rimini 1998. Lucca 2000.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549