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187Die
Commedia dell’arte im österreichischen Musiktheater des 17. und 18. Jahrhunderts
wenig schmeichelhaften Bemerkungen ihrer früheren Verehrer fügt sie sich in ihr
Schicksal und tritt in ihre neue Existenz als Ehefrau eines Dienstboten.
L’affettatione castigata da Gradelino, eine an sich unbedeutende musikalische Un-
terhaltung, ist eines der sprechendsten Beispiele dafür, dass um 1730 in Österreich
die kulturelle Entwicklung eine völlig neue Ausrichtung nach Frankreich erfährt und
dabei die traditionell seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert präsenten Formen der
italienischen Komödie in diese Veränderung produktiv mit einbezogen werden. In
den letzten Jahren der Regierungszeit von Karl VI. und in den ersten beiden Jahr-
zehnten jener von Maria Theresia wird sich schrittweise dieser Wandel vollziehen,
der auch die volkstümliche Komödie in deutsche Sprache berührt sowie seine Spu-
ren auch in anderen literarischen Gattungen hinterlässt. Ein Beispiel für eine sol-
che vielfältige Verknüpfung der Entwicklungslinien von italienischer Commedia
dell’arte, französischer Pastoralkomödie und musikalischem Schauspiel stellt ein
1747 in Wien gespieltes Zauberstück dar, in welchem typische Verkleidungsszenen
der Improvisationskomödie mit den Schauerelementen des französischen Barock-
theaters vermischt werden:
ZANNINA,| Eine| Zauberin aus Liebe.| Jn einem lustigen Musicalischen| Schau=Spiel|
Aufgeführet.| Auf dem| Von Jhrer Kaiserl. Königl.| Majestät privilegirten|
THEATRO|Jn Wien 1747.| Ubersetzt von J. L. V. G.| Wien, gedruckt bey Johann
Peter v. Ghelen, Jhrer Röm.| Kais. Königl. Majestat Hof=Buchdruckern.
Die Hauptfigur dieser Übersetzung von dem gleichzeitig in Wien im Original mit der
Musik des Autors gespielten La Zannina maga per amore. Dramma giocoso per musica
von Giuseppe Maria Buini (~1680–1739), „eine Welsche Bäurin“, verkleidet sich im
Laufe der Handlung in charakteristische Figuren der Improvisationskomödie (Zigeu-
ner, Türke und Arzt), um so ihren verlorenen Geliebten Fidalbo zurück zu gewinnen.
Die aus der Commedia dell’arte abgeleiteten Figuren verschwinden im ausge-
henden 18. Jahrhundert auf Grund der von Apostolo Zeno eingeleiteten und von
Christoph Willibald Gluck weiter verfolgten Opernreform beinahe vollkommen aus
den italienischen Libretti in Österreich, welche die venezianische Tradition der zwei
Ebenen innerhalb eines Stückes durch die einer einheitlichen und vernunftorientier-
ten Linie folgende tragische Handlung und eine klarere moralische Konzeption er-
setzen. In dieser Reformoper haben weder Arlecchino noch sein deutschsprachiger
Nachfolger Hanswurst etwas zu suchen.
Eine bemerkenswerte Ausnahme in dieser Entwicklung bildet ein Libretto von
Lorenzo Da Ponte, der die 1787 in Paris mit der Musik von Antonio Salieri aufge-
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549