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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock254
Am Karsamstag, den 21. April 1696, wird im Kloster der Ursulinen510 vor dem Hl.
Grab La morte del Redentore. Oratorio von Petronilla Paolini Massimi (1663–1726) in
der Vertonung von Badia gespielt. In der Fastenzeit 1696 wird außerdem in Wien,
vermutlich wieder im Jakoberkloster, Signorinis I tributi del tempo in der Vertonung
von Raschenau dargeboten.
In der Fastenzeit 1697 stehen neben den Wiederholungen wieder zwei Urauf-
führungen von Oratorien auf dem Programm: La caduta d’Aman des ansonsten nur
als Komponist in Erscheinung tretenden Giovanni Battista Lampugnani, vielleicht
mit der Musik des Bassisten Raniero Borrini (~1658–1724), und Santa Maria Madda-
lena de’ Pazzi, möglicherweise von Pamphili. Am Karfreitag, den 5. April 1697, wird
Minatos letztes geistliches Musikdrama, La virtù della croce. Rappresentatione sacra,
in der Vertonung von Draghi und Leopold I. vor dem Hl. Grab in der Hofburg-
kapelle gespielt. Darin besprechen die auftretenden Figuren, neben einem Engels-
chor wieder ausschließlich Inkarnationen von abstrakten Ideen (L’Amor à Dio – La
Fiducia in Christo – La Speranza della Divina Misericordia – Il Timore della Divina
Giustitia – L’Horror del Peccato – La Conversione – La Consolatione Angelica), die
Symbolkraft des Kreuzes, die sich in der Inschrift In hoc signo vinces manifestiert. Na-
türlich ist mit diesem Motto, von dem Eusebios von Kaisereia in seiner Vita Constan-
tini berichtet, eine Parallele zwischen der erfolgreichen Abwehr der Türken durch
Leopold I. und dem 312 unter christlichem Banner erfochtenen Sieg Konstantins
über Maxentius an der Milvischen Brücke beabsichtigt.
Damit geht eine in ihrer Quantität und in ihrer Qualität außergewöhnliche Pro-
duktion von beinahe drei Jahrzehnten zu Ende, in welchen Nicolò Minato für den
Wiener Hof insgesamt 5 Oratorien und 33 Rappresentazioni sacre geschrieben hat.
Unter diesen zahlreichen Werken, die von Antonio Draghi und Kaiser Leopold I.
vertont worden sind, ragen natürlich die beiden über lange Zeit regelmäßig gespiel-
ten Oratorien L’amor della redentione und Il transito di San Giuseppe heraus. Inhaltlich
ist vor allem bemerkenswert, dass Minato in der Wahl seiner Stoffe sich nur äußerst
selten mit Heiligenfiguren beschäftigt (lediglich L’Abele di Boemia, ovvero S. Wenceslao,
1680, und Il crocifisso per gratia, overo San Gaetano, 1691), sondern neben einer einzigen
biblischen Gestalt (Il transito di San Giuseppe, 1675) die literarische Interpretation von
gegenständlichen oder abstrakten Bedeutungsträgern der Passion Christi vorzieht. In
510 1660 von Kaiserin-Witwe Eleonora nach Wien berufen, gründet der Orden der Ursulinen der Römi-
schen Union um 1700 auch eine Schule und ein Pensionat. Die zwischen Seilerstätte, Johannesgasse und
Annagasse gelegene, mehrhöfige Klosteranlage wird 1666–1745 an Stelle von acht Häusern schrittweise
ausgebaut und weist noch in den Gängen Reste eines vorwiegend aus dem 18. Jahrhundert stammenden
Theatrum Sacrum auf.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549