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Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts
In den ersten Jahrzehnten, hauptsächlich während der Regierungszeiten von Ferdi-
nand II. und Ferdinand III. befindet sich der Spielplan des Sprech- und Musikthea-
ters am Kaiserhof noch in Entwicklung, so dass nicht immer klare Strukturen in den
einzelnen Abläufen bzw. bezüglich der Anlässe für Aufführungen erkennbar sind.
Eines der letzten Beispiele für nicht von einem fixen Festkalender oder von einem
konkreten Anlass bestimmte Darbietungen ist die am 20. April 1665 im Hoftheater
gespielte Pastoralkomödie L’Alcindo per musica von Antonio Draghi in der Vertonung
von Bertali und Schmelzer, die wegen der Erkrankung des Interpreten der Titelpar-
tie vom Fasching auf nach Ostern verlegt worden ist. Die im Schäfermilieu angesie-
delte Handlung erzählt die üblichen Liebesverwirrungen rund um vier Paare, deren
Verstrickungen durch die grotesken Konflikte zwischen Erabena Nutrice und Cime-
rone Bifolco auf der lächerlichen Ebene unterbrochen und mit drei Tanzszenen (Di
Villani. Di Mostri. Di Silvani) ausgeschmückt werden. Draghi erläutert in seinem
Argomento, dass die wunderschöne Schäferin Rosilva heimlich zwei Männer liebt:
„Mà perchè Amore non può mantenersi lungamente Celato, Nerillo viene scoperto
da Alcino per rivale, il qual accidente porge campo all’intreccio della Favola.“ Der
vorangestellte Prologo spielt zusätzlich mit den Schauerelementen der Pastorale,
denn: „La Scena Rappresenta Grotte Orride.“
Spätestens nach der ersten Heirat von Leopold I. im Dezember 1666 etabliert
sich ein Festkalender von Aufführungen, in der Regel im Fasching, zu liturgischen
Anlässen, sowie Geburts- und Namenstagen des Kaisers, der Kaiserin und der Kai-
serin-Witwe und darüber hinaus zu entsprechenden Gelegenheiten wie Hochzeiten,
Geburten oder hohen Besuchen. Weil die dargebotenen Werke mit eher diffusen
Gattungsbezeichnungen versehen werden, die noch dazu im Laufe der Zeit sehr
phantasievoll abgewandelt werden, soll hier eine Einteilung nach drei Gesichtspunk-
ten erfolgen. Zunächst werden die eher kammermusikalisch und konzertant gestal-
teten Darbietungen sowie die für Aufzüge und Ballette verfassten Libretti behandelt.
Darauf folgen die komplexeren musikalischen Werke, deren Aufbau aber unter der
dramatischen Struktur von drei Akten bleibt, so dass nicht von Oper gesprochen
werden kann, und schließlich die Opern für den Fasching, die persönlichen Feier-
tage, die Geburten und die Hochzeiten im Kaiserhaus.544
einer Stadt. Band 2: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert). Hg. von Karl Vocelka und
Anita Traninger. Wien / Köln / Weimar 2003, S. 13–45; hier S. 28.
544 Vgl. Siro Ferrone / Annamaria Testaverde: Vitalità del teatro italiano. In: Luciano Formisano (Hg.): La
letteratura italiana fuori d’Italia. = Enrico Malato (Hg.): Storia della letteratura italiana, Bd. XII. Rom
2002, S. 483–528.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549