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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock296
Darin streiten zahlreiche allegorische Figuren, die einander widerstrebende mensch-
liche Eigenschaften darstellen (Il Genio Buono – Il Genio Cattiuo – Il Buon Consig-
lio – L’Ippocrisia – L’Invidia – La Falsità – L’Interesse – Il Merito – La Virtù) um die
Gunst von Fortuna, die – da ihre Augen verbunden sind – nicht sofort den wahren
Charakter der jeweiligen Person erkennen kann. Am Ende löst die mit einem Cor-
teggio numeroso auftretende Pallade diesen Streit zugunsten des Buon Genio und
spricht zusammen mit den positiven allegorischen Figuren dem Hochzeitspaar ihre
Glückwünsche aus. Die Verbindung von Buon Genio mit Fortuna steht wohl für das
Brautpaar Leopold und Claudia Felicitas, während die vom Genio cattivo herbeige-
führten Verwirrungen auf Hofintrigen gegen diese Heirat hinzudeuten scheinen.
Am 12. April 1674 wird in einem der acht Säle der Gemäldegalerie in der Hof-
burg – laut Titelblatt vor einem Zyklus der zwölf Monate – Minatos Le staggioni
ossequiose. Introduttione d’un Balletto mit der Musik von Draghi aufgeführt. Darin tre-
ten die allegorischen Figuren der Zeit und der vier Jahreszeiten ins Gespräch mit
dem ihnen zuhörenden Kaiserpaar, von dem angenommen wird, dass es gleichzeitig
die Bilder der zwölf Monate betrachtet. Es werden besonders die Geburtsmonate
der einzelnen Mitglieder der Kaiserfamilie gewürdigt und die Taten Leopolds in
speziellen Monaten aufgezählt, worauf die entsprechenden Huldigungen folgen. Im
Druck werden ausdrücklich die Gestalten des anschließenden Balletts genannt, wel-
che wieder aus den Allegorien der Jahreszeiten stammen: Zeffiro – Flora – Vertunno
– Cerere – Bacco – Pomona – Borrea – Orithia.
Genau am selben Ort, nämlich in einem Saal der Gemäldegalerie, wird zu einem
unbestimten Datum 1677 Minatos La Fortuna delle corti. Introduttione d’un Balletto
mit der Musik von Draghi gespielt. In der Bildergalerie wird von allegorischen Fi-
guren (La Speranza – L’Ambitione – Il Genio – Il Desiderio) nach einem passenden
Abbild der höfischen Fortuna gesucht, das als Leitbild für den idealen Hofmann
dienen könnte. Am Ende fertigt die Malkunst (La Pittura), assistiert von tanzenden
Malern (Pittori, che Ballano), eine Darstellung der Fedeltà an, die dieser Aufgabe
gerecht zu werden vermag.
Über die im Original und in deutschen Übersetzungen weit verbreiteten Werke
der italienischen Erziehungsliteratur des 16. Jahrhunderts greift Minato hier sicher
auf die Inhalte seines ersten Werkes zurück, das 1645 in Venedig erschienen ist: Eru-
ditioni per li cortigiani. Opera latina d’autor’ incerto fiammengo. Data in luce in volgar’
Idioma. Diese Marc’Antonio Vasari aus Arezzo gewidmete Übersetzung eines latei-
nischen Traktats aus den Niederlanden561 behandelt in 40 von einem inhaltlichen
561 Falls die Angaben auf dem Titelblatt richtig sind, was im Fall des so jungen (er dürfte ungefähr 20 sein –
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549