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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock344
Am 9. Juni 1668 wird Gl’amori di Cefalo e Procri. Rappresentazione drammatica per mu-
sica, für welche Draghi das Libretto und die Musik und J. H. Schmelzer die Ballett-
musik schreiben, in der Favorita aufgeführt. Dieses Libretto wird in der Forschung
fallweise mit Calderón de la Barcas 1661 für den Fasching am Hof in Madrid ge-
schriebene Céfalo y Pocris. Comedia burlesca en tres jornadas606 in Verbindung gebracht,
nicht zuletzt wegen der in Wien 1668 gedruckten spanischen Übersetzung von Juan
Silvestre Salva (Los amores de Céfalo y Procris). Gl’amori di Cefalo e Procri ist aber eine
eigenständige Interpretation des selben Themas durch den Wiener Hofmusiker und
-dichter, denn inhaltlich ist Draghis Musikdrama im venezianischen Stil mit seiner
Abfolge von 25 Szenen weit von Calderóns mythologisch-allegorischem Spiel in drei
Akten entfernt. Das zentrale Motiv des drohenden Betrugs von Procri Accesa di Ce-
falo durch Cefalo Amante di Procri mit der ihn umschmeichelnden Aurora Inamorata
di Cefalo wird durch eine Reihe unterhaltsamer Szenen von Narbo servo, Cacciatore
di Cefalo und einem Satyr bereichert. Es handelt sich insgesamt um eine Adaptierung
des antiken Stoffes (Ovid: Metamorphosen VII, 714–862) mit der für die venezianische
Oper dieser Zeit typischen Teilung in eine seria-Ebene der hochgestellten Personen
und eine buffa-Ebene der Diener. Die Lösung des Konflikts zwischen den kaum psy-
chologisch ausgestalteten Figuren ergibt sich durch einen allzu schnellen Verzicht
von Aurora, die ihre Neigung dem allgemeinen Festfrieden opfert. Direkte Anspie-
lungen auf die Umstände der Aufführung bei Hof finden sich in der ersten Szene in
einem Hinweis auf die Favorita und natürlich in der Licenza mit den Geburtstags-
wünschen an Leopold I. Die deutsche Übersetzung von Friedrich Christian Bressand
(Procris und Cephalus. Hamburg 1701) mit der Musik von Georg Bronner stellt eine
Bearbeitung dieser italienischen Fassung dar, was der bekannten Rezeption von Wie-
ner Hofopern in Hamburger Singspielen entspricht.
Am 12. und am 14. Juli 1668 wird nachmittags im neu errichteten Hoftheater
auf der Cortina zum Geburtstag von Kaiserin Margarita Teresa und gleichzeitig als
Abschluss der sich nun bereits über 20 Monate erstreckenden Hochzeitsfeiern das
größte musiktheatralische Schauspiel des Wiener Hofes aufgeführt: Il pomo d’oro.
Festa teatrale in fünf Akten und Prolog von Francesco Sbarra in der Vertonung von
Antonio Cesti und Leopold I. Die auf zwei Tage verteilte Aufführung in 23 Büh-
nenbildern von Burnacini wird durch drei Balletteinlagen von Ventura mit der Mu-
sik von J. H. Schmelzer und Kampfszenen von Agostino Santini ausgeschmückt.
Der ungeheure finanzielle Aufwand für dieses Fest – in der Überlieferung wird von
606 Veröffentlicht erst 1691 in der Novena parte de las Comedias.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549