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381Hochzeitsopern
spezifischen Anlass des Stückes (persönlicher Feiertag, Geburt, Hochzeit u.ä.) dar.
Eines der gelungensten Beispiele dafür ist zweifellos das oben besprochene Libretto
zu Il fuoco eterno custodito dalle Vestali: Das von den Vestalinnen gehütete Feuer ist mit
dem Haus Österreich gleichzusetzen, das Claudia (= Kaiserin Claudia Felicitas) wie-
der entfacht, indem sie das Schiff, auf dem sich das steinerne Symbol der Madre Idea
(= „Successione di Leopoldo“ bzw. „l’Austriaca Discendenza“) befindet, mit ihrem
Gürtel an Land zieht.
Wie profund die historiographischen Nachforschungen Minatos gewesen sein
müssen und welche Phantasie er bei der Umsetzung der literarischen Vorlagen ent-
wickelt, beweist das von Sebastiano Moratelli vertonte Libretto La gemma Ceraunia
d’Ulissipone hora Lisbona,633 das Minato anlässlich der Hochzeit des portugiesischen
Königs Pedro II. mit Maria Sophia von der Pfalz in Heidelberg 1687 geschrieben
hat. Inspiriert durch Homers Odyssee und Strabons Überlieferungen entwirft Minato
eine Gründungslegende von Lissabon, in der Minerva Odysseus an den Ufern des
Tago (Tejo) den Stein Ceraunia zeigt, der ihn vor den Blitzen der anderen Göt-
ter schützen soll. Aus Dankbarkeit für die glücklichen Fügungen errichtet er an
der Fundstelle des Steines einen Minerva-Tempel und gründet damit die nach ihm
(Ulissipone) benannte Hauptstadt von Portugal. Allegorisch wird damit auch ausge-
drückt, dass das Brautpaar durch seine glückliche politische Verbindung das kleine
reiche Land gegen jeden Blitz des Neides und der Missgunst schützen wird.
Die Eingliederung von musiktheatralischen Aufführungen in Hochzeitsfeiern
wird – ebenso wie andere Elemente der höfischen Repräsentation – in bescheide-
neren Dimensionen vom Hochadel nachgeahmt, wobei in diesem Kontext die Po-
sition der italienischen Literatur nicht mit jener am Wiener Kaiserhof verglichen
werden kann. Italienische Texte werden von italienischen Familien in Österreich in
Auftrag gegeben – wie das bereits erwähnte Il Vaticinio. Festa Musicale nella publica-
tione de i sponsali delli […] Francesco Maria Spinola, e d’Isabella Spinola von Giovanni
Battista De Santis (vor 1700); sie stoßen auf Interesse, wenn Verbindungen österrei-
chischer Familien zu den Gebieten südlich der Alpen bestehen, oder werden auch
633 Der Text erscheint in zweisprachiger, synoptischer Ausgabe. Hier der deutsche Titel: Das Kleinod|
CERAVNIA| Von| ULISSIPONE| Jetzo genannt| LISBONA| Zur Befrohlockung| Der glücksee-
ligen Vermählung Ihrer| Königlichen Mayestätt| PETRI| Königs von Portugall/ &c. &c.| Mit der
Durchleuchtigsten Fürstin vnnd| Frawen/ Frawen| MARIA SOPHIA| Gebohrner Chur=Princessin zu
Pfaltz/ &c. &c.| Auß Befelch| Deß Durchleuchtigsten Chur=Fürsten zu Pfaltz/| Herrn/ Herrn| Philip
Wilhelm/ &c. &c.| In dero Chur=Fürstl. Haupt= vnd Residentz=Stadt| Heydelberg| Mit der Music
gesungen vorgestellet.| Vnd Ihro Königlichen Majestät/ Majestät/| selbsten allhier underthänigst dedi-
ciert.| Gedruckt in der Chur=Fürstl. Haupt= vnd Residentz=Stadt| Heydelberg/ durch Michael Frantz/
Chur=Fürstl. Buchdruck. 1687.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549