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Die Kontakte der italienischen Frühaufklärer zum Wiener Hof 395
Die beiden zentralen Persönlichkeiten in der ersten Phase der Arcadia, Gian Vin-
cenzo Gravina (1664–1718) und Giovan Mario Crescimbeni (1663–1728), vertreten
allerdings unterschiedliche poetische Programme, was vor allem zu Konflikten in
Zusammenhang mit einer moralphilosophischen Konzeption von Literatur als trei-
bende Kraft bei der Erneuerung der gesamten Kultur einer Nation führt, welche
Gravina befürwortet, Crescimbeni hingegen zu Gunsten einer Wiederbelebung des
Petrarkismus ablehnt.
Die Arcadia, welche ihre Mitglieder als pastori unter dem Schutz Jesu und im Zei-
chen Pans zur Wahl eines emblematischen Pseudonyms (Gravina = Bione Crateo;
Crescimbeni = Alfesibeo Cario) verpflichtet, gründet als Colonia bezeichnete Außen-
stellen, welche sich von Arezzo (1692) bis Savona (1721) über das gesamte italieni-
sche Sprachgebiet erstrecken und in einem Fall (Laibach 1709) sogar darüber hinaus
gehen. Schon in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Gründung der Arcadia wird
der Bezug zum Kaiserhof deutlich, denn es finden sich unter ihren Mitgliedern zahl-
reiche Literaten, welche an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert in Wien tätig
sind oder deren Werke zumindest hier aufgeführt und im Druck verbreitet werden:
Francesco de Lemene (Arezio Gateatico), Paolo Antonio Del Negro (Siringo Re-
teo), Petronilla Paolini Massimi (Fidalma Partenide), Benedetto Pamphili (Fenicio
Larisseo), Bernardino Perfetti (Alauro Euroteo) und Silvio Stampiglia (Palemone
Licurio). Unter den Mitgliedern der Arcadia befinden sich auch Komponisten, de-
ren Musik in Wien gespielt wird: Bernardo Pasquini (Protico Azeriano), Alessandro
Scarlatti (Terpandro Azeriano) und Carlo Francesco Gasparini (Anfriso Petronio).
Daran schließen im Laufe des 18. Jahrhunderts die großen, in Österreich wirkenden
Librettisten Apostolo Zeno (Emaro Simbolio), Giovanni Claudio Pasquini (Trigeno
Migonitidio), Pietro Metastasio (Artino Corasio), Ranieri de’ Calzabigi (Liburno
Drepanio), Giovanni Gastone Boccherini (Argindo Bolimeo), Giambattista Casti
(Niceste Abideno) und Lorenzo Da Ponte (Romano Sonziaci), sowie einige ihrer
Komponisten (Christoph Willibald Gluck = Armonide Terpsicoreo) an. Darüber hi-
naus gehören zwei bedeutende politische Persönlichkeiten Österreichs der Arcadia
an: Michael Friedrich von Althann (1682–1734, Teodalgo Miagriano), Vizekönig
von Neapel und Erzbischof von Waitzen (Vác), sowie Kaiser Joseph II.
Auf Grund der verstärkten italienischen Präsenz in Wien durch die Verwaltung
der nach dem Vertrag von Rastatt hinzu gekommenen Territorien erfährt das schon
im 17. Jahrhundert vom Absolutismus geförderte Zeitungswesen651 einen deutlichen
651 Vgl. Wolfgang Duchkowitsch: Absolutismus und Zeitung. Die Strategie der absolutistischen Kommunika-
tionspolitik und ihre Wirkung auf die Wiener Zeitungen 1621–1757. Diss. Wien 1978.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549