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401Die
geistlichen Libretti der Generation vor Metastasio
riosissimo Gouerno della S[acr]a Ces[sare]a e Real Catt[olic]a M[aest]à di Carlo
VI. Imperadore de Romani sempre Augusto. dall’A[nn]o 1712. Con un’Appen-
dice in fine, d’alcune Compositioni Rappresentate in Tempo, che Regnarono
gl’Aug[ustissi]mi Imp[erato]ri Leopoldo, e Giuseppe Primi di sempre gloriosa
Memoria: consistente di Sepolcri, Oratori Sacri, Componimenti da Camera, et
Opere. Compresovi le altre Simili Compositioni Musicali dedicate humilissima-
mente alla stessa Ces[are]a e Real Cattolica Maestà di Carlo VI. Da diversi Autori.
Das regelmäßige Programm des Hofes setzt in der Fastenzeit 1712 wieder ein mit
La castità al cimento. Oratorio eines unbekannten Autors in der Vertonung von Anto-
nio Caldara (?1671–1736), einem Komponisten aus Venedig, der 1712 erstmals kurz
nach Wien kommt und ab 1717 als Nachfolger von Marc’Antonio Ziani in der Po-
sition des Vizehofkapellmeister 20 Jahre lang eine dominante Rolle im Musikleben
des Kaiserhofes spielen wird.
Ebenfalls in der Fastenzeit 1712 wird Pietro Pariatis Oratorium Il voto crudele
mit der Musik von Antonio Lotti (1665–1740) gespielt, womit die Arbeit Pariatis für
den Wiener Hof unter äußerst ungewöhnlichen Umständen beginnt, die durch die
geschilderten politischen Veränderungen bedingt sind: weder der Autor des Libret-
tos noch der Komponist befinden sich in Österreich, sondern senden das Auftrags-
werk aus Venedig. Der Text, in welchem die alttestamentarischen Figuren Gefte,
Ifi, Storge und Getro auftreten, ist laut Gronda das in Form und Inhalt wohl unge-
schickteste der insgesamt 13 geistlichen Libretti von Pariati.665
Der aus Reggio nell’Emilia stammende Pietro Pariati (1665–1733) ist vermutlich
ab 1. Januar, spätestens aber ab 14. August 1714 als Poeta di camera oder Poeta cesareo
unter Vertrag. 1695, als Sekretär des Gesandten von Modena in Madrid, fällt der stu-
dierte Jurist666 aus nicht wirklich geklärten Umständen in Ungnade, wird drei Jahre
inhaftiert und lebt danach ab Ende 1699 in Venedig, wo er ab 1703 (Regnero. Drama
per musica) als Librettist zu Ansehen gelangt.667 Als seine Bestellung zum Hofdichter
in Modena bekannt wird, ruft Herzog Rinaldo d’Este (1655–1737) in einem Brief
vom 24. August 1714 Orazio Guicciardi, seinem Gesandten am Kaiserhof, in Erinne-
rung, dass der inzwischen berühmte und von der Schwägerin des Herzogs, Kaiserin-
Witwe Amalie Wilhelmine, protegierte Autor in seiner Heimat als politisch äußerst
665 Repertorio. In: Giovanna Gronda (Hg.): La carriera di un librettista. Pietro Pariati da Reggio di Lombar-
dia. Bologna 1990, S. 187–272; hier S. 270; vgl. auch in diesem Band Herbert Seifert: Pietro Pariati poeta
cesareo, S. 45–71.
666 Auf den Titelseiten der ersten Libretti wird er immer als „dottor Pietro Pariati“ bezeichnet.
667 Naborre Campanini: Un precursore del Metastasio. Reggio Emilia 1883.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549