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38 | Ferdinand Opll
1.1.3 Paolo Angielini
Der Sohn des Natale Angielini und seiner Frau Susanna, der bloß in einigen Belegen
der Jahre 1574 und 1575 zu fassen ist, könnte als Baumeister, dürfte aber hauptsäch-
lich als Kartograf gewirkt haben. Im März 1575 wurde er mit Bernardo Magno nach
Eger geschickt.80 Die erhaltenen Nachweise nennen ihn als Schöpfer eines abriß der
Crabatischen graniczen (27. Februar 1574) und eines schonen khunst stuckh (15. De-
zember 1574), als Übergeber einer mappa (März 1574) und als adumbrator regionum
(20. April 1575)81 – seine Begabung muss daher vor allem im Bereich der Kartografie
und der Kolorierung von kartografischen Dokumenten bzw. Ansichten gelegen sein.82
Dies entspricht sowohl der für das Renaissancezeitalter so kennzeichnenden Vielfach-
begabung als auch den für diese Epoche fließenden Grenzen zwischen Wissenschaft
und Kunst. Hinweise, dass Paolo 1583 in Eger und 1584 als Festungsbaumeister in
Győr/Raab eingesetzt war, lassen sich leider nicht mit Gewissheit verifizieren.83
1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis
Die drei Angielinis gehörten einem beruflichen Umfeld an, das in seiner Vielfalt und
Breite sinnfälliger Ausdruck des Renaissancezeitalters ist und sich
– entgegen dem für
unsere heutige Zeit so kennzeichnenden Streben nach Klarheit und Präzision – eben
nicht mit einem einzigen Begriff fassen und erklären lässt. Um überhaupt ein eini-
germaßen zutreffendes Bild zu gewinnen, scheint es geraten, zunächst von den zeit-
genössisch für sie überlieferten Berufsbezeichnungen auszugehen. Dabei überwiegt
eindeutig das, was man als Fremdbezeichnungen zu qualifizieren hat, also Aussagen
von Dritten über den einen oder anderen von ihnen. Eine einzige Selbstaussage liegt
für Nicolò Angielini vor, der sich auf seiner Entwurfszeichnung einer Pontonbrücke
dezidiert als architectus bezeichnet, und als solcher wird er auch in einer Liste von in
kaiserlichen Diensten stehenden »Architekten« am 7. August 1577 genannt.84 Die
80 Zu Paolos Biografie vgl. Pálffy, ebd., 23 f.
81 Belege bei Pálffy, ebd., 30 f.
82 Pálffy, ebd., 32, deutet den Begriff adumbrator unter Hinweis auf die Nennungen wichtiger Handwer-
kerberufe bei dem späthumanistischen Dichter Hartmann Schopper (1542–nach 1595) als »Reißer«,
d. h. als Bezeichnung für den Schöpfer verschiedener Grundrisse. Das Wort adumbrare konnte freilich
sowohl die Bedeutung von »beschatten« haben als auch in Malerei und Zeichnung entweder die Vollen-
dung einer bereits ausgefertigten Zeichnung durch Hinzufügung von Licht und Schatten oder die noch
unvollendete Skizze meinen.
83 Maggiorotti, Architetti, 429 ; Maggiorotti, Dizionario, 5.
84 Siehe oben S. 35 f. mit Abb. 5.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499