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270 | Heike Krause
keine retirierten Flanken auf. Die »Visierung« oder »Abriss« genannte Zeichnung ver-
anschaulicht den Zustand nach dem Weggang Kaiser Ferdinands I., dürfte zu einem
Bericht Thoman Eiselers gehört haben und ist daher möglicherweise zu Jahresende
1561 angefertigt worden. In grauer Farbe wurden die Partien dargestellt, die bereits vor
der Abreise des Kaisers vorhanden waren, die in gelber Farbe sollten danach errichtet
werden. Die erst in Planung befindlichen Fundamente und Kasematten der Piatta-
forma sind im Grundriss dargestellt und als solche auf Italienisch bezeichnet. Die
Lage des Objekts erschließt sich aus dem eingezeichneten mittelalterlichen Stadtmau-
erturm – als »Fachturm« bezeichnet – westlich des Rotenturms und der Beschriftung
vmb die mas ist der Saltz thuern. Die erst geringfügig in Mauerwerk ausgeführten Ab-
schnitte der Piattaforma sind perspektivisch wiedergegeben. Hingewiesen wurde auch
auf einen zu hohen Wasserstand, weshalb man den Bau erst vollenden könne, wenn
dieser niedrig sei.145 Der im Königlichen Kriegsarchiv in Stockholm aufbewahrte Plan
der Festung Wien enthält in der Legende die Erläuterung, dass die Platta forma nur
aus dem Grund ausgeführt worden sei, und gibt damit einen Hinweis auf den Zeit-
punkt seiner Anfertigung.146 Ansichten des frühen 17. Jahrhunderts geben einen an-
deren Zustand wieder : Die Flankenmauern der Piattaforma sind unterbrochen, sodass
lediglich die Mauern an der Donauseite sichtbar sind und vor der mittelalterlichen
Stadtmauer ein breiter Weg hinter ihr vorbeiführt.147 Die Piattaforma wurde von 1661
bis 1664 durch die Anlage der Großen Gonzagabastei ersetzt.148
6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei
In diesem Abschnitt blieb die mittelalterliche Befestigung noch länger erhalten. Le-
diglich die Donaulände erhielt eine Mauer, die östlich der Schlagbrücke wiederum mit
»Eisbrechern« zur Sicherung der Uferzone ausgestattet war. Die westlich der Brücke
gelegene Mauer war mit Öffnungen für Stege ausgestattet, sodass hier Schiffe anlan-
den konnten. Diese Situation wird besonders auf der Hoefnagel-Perspektivansicht von
1609, aber auch schon in der Dresdner Variante des »Angielini«-Plans deutlich (unten
nach S. 312 Tafel 3).
Östlich der Piattaforma verläuft die mittelalterliche Stadtmauer vom Fachturm bis
zum Rotenturmtor. Im Wiener und Dresdner Exemplar sind ihre Zinnen angedeu-
145 Camesina, Urkundliche Beiträge, 75 f. Nr. XXII und Anm. 1 (WStLA, Kartographische Sammlung :
Allgemeine Reihe, Pläne und Karten : Sammelbestand, P1.220/4).
146 Unten Anhang 9.7, S. 486 Nr. 13/1.
147 Vogelschauplan des Stromer von Reichenbach, Hoefnagel-Vogelschauansicht, Schlierbach-Plan des
Job Hartmann von Enenkel (siehe unten Anhang 9.7, S. 489–491 Nrr. 22‒24).
148 Perger, Straßen, 56 s. v. Große Gonzagabastei.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499