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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 267
6.3.6 Neutorbastei
Die Neutorbastei, die zunächst Donaubastei hieß und später von dem neben ihr durch
die Kurtine führenden, anstelle des alten Werdertors errichteten Tor ihren Namen
bekam, wurde gleichzeitig mit der Elendbastei errichtet. Tilemann Stella berichtet
1560, dass diese noch nicht fertiggestellt sei, und fügt eine Skizze dieses Zustands
bei, wobei er die Form der Bastei wohl nicht korrekt wiedergegeben hat.138 Durch
den hinter ihr vorbeiführenden Arsenalkanal liegt hier eine Sondersituation vor. In
den »Angielini«-Plänen von Wien blicken wir von Nordosten auf die Neutorbastei
(unten nach S. 312 Tafel 1‒3 ; siehe auch oben S. 243 Abb. 45 bzw. S. 263 Abb. 51). Der
Bastionswinkel (Saillant) erscheint in den Vogelschauplänen als rechter Winkel und
die westliche Face länger als die östliche. Die östliche Flanke weist zudem keinen
Kanonenhof, aber möglicherweise eine Geschützplattform mit gemauerter Brustwehr
auf. Der westliche Flankenhof wird wie auch bei der Elendbastei durch eine niedrige
Mauer zum Graben hin geschlossen. Im Wiener Exemplar sehen wir in dieser zwei
Stückscharten, im Karlsruher Plan dagegen einen aus der Kurtine führenden Zugang
in den Hof. Von der Krone der im Westen anschließenden Kurtine führt ein Weg auf
die Plattform der Bastion. Diese Situation vermittelt auch die Karlsruher Variante. Im
Dresdner Exemplar sind an dieser Stelle ein kleines langes und schmales Gebäude und
eine die Bastion kehlseitig abschließende Mauer zu sehen. Tatsächlich befand sich
hinter ihr der tieferliegende Weg vom Neutor in Richtung Innenstadt. Das Tor wird
als einfaches Rundbogentor dargestellt, wobei die neben ihm gelegene Fußgänger-
pforte fehlt. Die Bastion ist bis auf den Bastionswinkel, der realiter ein stumpfer war,
im Wiener Exemplar wohl am authentischsten und deutlichsten dargestellt. Dies lässt
sich aus dem Vergleich mit zahlreichen von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
bis ins 18. Jahrhundert entstandenen Plänen schließen.139
Während der Ausgrabungen in der Neutorgasse 4‒8 im Jahr 2008 wurden die bau-
lichen Überreste des westlichen Flankenhofs der Bastion mit anschließender Kurtine
dokumentiert. Die Mauerschale bestand aus Ziegeln und einem umlaufenden Qua-
dersockel im grabennahen Bereich.140
138 Opll, Tilemann Stella, 342 Abb. 8.
139 Zum Beispiel : Planskizze der Befestigung der Stadt Wien von Bartolomeo de Rocchi um 1568, Sut-
tinger-Plan von 1684, Steinhausen-Plan von 1710 bzw. Walter-Plan von ca. 1750 (unten Anhang 9.7,
S. 489 und 491 f. Nrr. 19 sowie 25‒27).
140 Mader, Neutorgasse, 205‒208 ; Krause/Mader, Die frühneuzeitliche Stadtbefestigung, 27–29. Eine
Monografie zur Ausgrabung der Stadtarchäologie Wien ist in Vorbereitung.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499