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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 255
die bei Veranstaltungen auf dem Burgplatz genutzt werden konnte. Die Stadtmauer
wurde erst mit der Errichtung der hiesigen neuen großen Bastei im 17. Jahrhundert
im Abschnitt zwischen dieser und der Bastei zwischen dem Burg- und Schottentor
vollständig durch eine neue Kurtinenmauer ersetzt.95 Kleine Nebengebäude sind am
deutlichsten im Wiener Exemplar zu erkennen, der Dresdner Plan zeigt dagegen eine
langgestreckte Tribüne. Die Stadtmauer weist keine Zinnen auf, der innen angeschüt-
tete Wall wird in beiden Plänen deutlich in grüner Farbe hervorgehoben. Zudem ist
eine Art Palisaden- oder Bretterzaun auf dem Wall in den beiden letztgenannten Plä-
nen angedeutet.96
Der von Hans Sebald Lautensack dargestellte Burgplatz anlässlich des Fußturniers
von 1560 (Anhang 9.7, S. 485 Nr. 10) zeigt eine bevölkerte Holztribüne zwischen der
Stadtmauer und dem Burgplatz, der mittels eines Bretterzauns von jener abgetrennt
war. Ein an den Kindertrakt grenzendes Gebäude sowie einen danebenliegenden über-
dachten Bau mit anschließendem, auf dem Wall situiertem Bretterzaun gibt auch ein
Holzschnitt von Heinrich Wirrich von 1571 wieder, der ein Turnier anlässlich der
Hochzeit Karls von Innerösterreich mit Maria von Bayern zum Inhalt hat.97
6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor
In den »Angielini«-Plänen ist diese als gemauerte Bastei von Osten her wiedergegeben
(Abb. 49). Hinter dem stark erhöhten Kavalier befindet sich die eigentliche Bastei mit
den offenen, zurückgezogenen Flankenhöfen. Der Kavalier erscheint als eigenständi-
ger Bau. Tilemann Stella erklärt uns, dass diese vorhöung oder schutzwehr deshalb eine
derartig enorme Höhe aufweise, weil sich auf der der Stadt gegenüberliegenden Seite
ein Berg befände.98 Dieses für die Verteidigung unvorteilhafte ansteigende Gelände
bei der Vorstadt St. Ulrich thematisierte auch Carlo Theti in seinem ab 1576 ausgear-
95 Bei einer archäologischen Baubeobachtung südlich des Burgtheaters (Josef-Meinrad-Platz) kam eine
2,65 m breite Mauer zutage, die als spätmittelalterlicher Abschnitt der Stadtmauer angesehen werden
kann. Krause, Löblbastion, 162 f., 168 f. und Abb. 8 auf Seite 170.
96 Aus einer Zusammenfassung der Ergebnisse eines Lokalaugenscheins im Jahr 1596 (KA, HKR Akten
15, Registratur 167, 1602 Juli 2, fol. 4v/5r) erfahren wir, dass die cortina (= Wall oder Mauer) zwischen
der Bastei bei dem Burgtor und der Landschaftsbastion (= Bastei zwischen Burg- und Schottentor)
schadhaft war und der Wall bis zu den Zinnen der Stadtmauer mit einer Brustwehr versehen werden
sollte. Damit die Erde (fester Lehm) nicht abrutschen kann, möge man eine hölzerne Schütt bzw. einen
Zaun errichten. Die Gasse in diesem Abschnitt zwischen dem Wall und den Häusern sei so schmal, das
nicht einmal zwei Wägen aneinander vorbeikämen. Diese Situation ist auch in den Angielini-Plänen
feststellbar.
97 Siehe unten Anhang 9.7, S. 489 Nr. 20.
98 Opll, Tilemann Stella, 341 f.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499