Page - 294 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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bei mittelalterlichen Befestigungen mit ihren aufragenden Türmen möglich war. Viel-
leicht existierten eine oder mehrere Vorlagen für die Wien-Pläne, die Grundlage(n) für
die drei bekannten Exemplare war(en). Zahlreiche Unterschiede zwischen den Exem-
plaren in der Wiedergabe von Details konnten aufgezeigt werden. Bestimmte bauliche
Charakteristika finden sich aber auch auf allen drei Exemplaren. Durch den Vergleich
mit anderen Plänen bzw. durch archäologische Nachweise konnten diese Bestätigung
finden, was für die Beurteilung der Qualität der »Angielini«-Pläne wichtig war.
Offen bleibt, ob und inwieweit Abweichungen von einer Vorlage bestehen, die auf
inzwischen veränderte Bauzustände zurückzuführen wären. Der Wert der Pläne be-
steht weniger in allumfassender Genauigkeit, Detail- oder Maßstabstreue als vielmehr
in der hervorragenden Veranschaulichung der damals gerade fertiggestellten Festungs-
bauten. Diese erscheinen idealisiert, der Grundriss verzerrt. Die Bastionen sind in
ihrem Grundriss schematisch dargestellt, weisen aber auch spezifische Charakteristika
auf, durch die sie eindeutig zu erkennen sind. Die Festung erscheint insgesamt idealer,
als sie in Wirklichkeit war. So wurde die Bastei beim Schottentor als mit Mauerwerk
ummantelter Bau wiedergegeben, den es offensichtlich zu jener Zeit in dieser Form
noch nicht gab. Die Attribute – Zinnen und Scharten – der noch längere Zeit erhal-
tenen Stadtmauer wurden vor allem im Wiener und Karlsruher Exemplar größtenteils
weggelassen. Daher wirkt sie wie eine zeitgemäße Kurtine. Eine Datierung der Pläne
aufgrund des Baufortschritts bleibt deshalb riskant. Hier könnte ein Zustand gezeigt
worden sein, der in dieser Art noch nicht bestand. Schwer beurteilbar bleibt, was be-
wusst oder unbewusst weggelassen, was hinzugefügt oder formal verändert wurde, um
die Befestigung perfekter, aber trotzdem authentisch wirken zu lassen. Dennoch bleibt
festzuhalten, dass für einige Bereiche der Festung die »Angielini«-Pläne die früheste
Ansicht aus der Vogelperspektive darstellen.
6.4 Das Stadtinnere
Christoph Sonnlechner
Bevor im Detail auf die einzelnen dargestellten Objekte eingegangen wird, sollen ein
paar grundsätzliche Bemerkungen gemacht werden. Das Stadtinnere ist in allen drei
Fällen – den Planversionen in Wien, Dresden und Karlsruhe – lediglich eine schema-
tische Darstellung von Baublöcken und Verkehrsflächen. Die Farbgebung der punk-
tiert und flächig wiedergegebenen Baublöcke erscheint im Wiener Exemplar blassrosa,
im Karlsruher rötlich und im Dresdner bräunlich. Die stärkere farbliche Sättigung
mancher Baublöcke im Karlsruher und Dresdner Exemplar hat keine Bedeutung. Sie
ist dem unregelmäßigen Farbauftrag, der Lavierung, geschuldet. Das Stadtinnere tritt
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499