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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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52 keinen unmittelbaren Anteil am Bildgeschehen, sondern sind auch kompositionell von der Austria-Gruppe getrennt und haben eine eher dekorative Funktion.Im Aquarellentwurf163 überbringen zwei nicht geflü-gelte, Putto-ähnliche Figuren der Austria die Insignien der Macht, Zepter und Krone, und ein Buch. In den bei-den Entwürfen, in denen die Austria Kaiser Ferdinand gegenübergestellt wird, erscheinen, der teilweise histori-schen Situation entsprechend, keine Engelsfiguren. Erst im zweiten Gesamtentwurf für den Marmorsaal164 bzw. in der Skizze dazu165 finden sich bei der Allegorie des Mit-telbildes wieder insgesamt sieben nicht geflügelte Engels-figuren, die Attribute wie Zepter, Füllhorn, Granatapfel und Leier in Händen halten. Von rechts reicht einer der Engel der Austria einen Lorbeerkranz. Von diesen sieben Figuren übernahm Kupelwieser in die Fresko-Ausführung nur den Knaben mit dem Lorbeerkranz, den dieser der Austria nun von rechts überreicht. Der Deutung dieser Figur als „Liebe“, wie sie Rupert Feuchtmüller vor-schlägt166, widersprach schon Eckart Vancsa167, der den kleinen Engel mit Lorbeerkranz als Personifizierung des Ruhms direkt der Austria zuordnete und nicht der Gerechtigkeit, Weisheit, Stärke und Geschichte als eigen-ständige Personifikation gegenüberstellte. Dadurch ist diese Figur nach Vancsas Interpretation auch nicht direkt mit einer der vier umgebenden historischen Szenen ver-bunden, während Feuchtmüller die Figurengruppe des Bischof Kollonitsch, der von Waisenkindern umgeben ist, in Beziehung zu der kleinen Engelsfigur setzt. Kupelwie-ser selbst schreibt im zweiten Programmentwurf: „wäh­ rend auf der anderen Seite ein Genius den Schild mit dem Lorbeer ziert“168, und im dritten Programmentwurf: „auf der anderen Seite tritt ein Engel hin und bekränzt den Schild mit dem Lorbeer.“169 Die Auslegung im Erläuterungstext hauer Johann Martin Fischer in seiner 1812 entstandenen Figurengruppe Der Ackerbau für den Brunnen am Hof den Topos des Schutzgeistes Österreichs wieder auf. Der Genius Österreichs, zu dessen Füßen der Erzherzogshut liegt, schützt hier den Bauern mit seinem Pflug. Wenige Jahre später schuf Josef Klieber ebenfalls eine Figur des Schutzgeistes Österreichs, der von Minerva und einer Allegorie der Geschichte flankiert ist und den Giebel des 1815 gegründeten Polytechnischen Institutes zierte.154 Die Austria in Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus ist von den Allegorien der Gerechtigkeit, der Weisheit, der Stärke und der Geschichte umgeben. In diesen Darstel-lungen greift Kupelwieser auf die barocke ikonographi-sche Bildsprache zurück, wie sie in den zahlreichen Aus-gaben von Cesare Ripas Iconologia, in Wilhelm Ramlers Allegorische Personen (Berlin 1788, Wien 1794) und Chris-tian Sambachs Iconologie (Wien 1801) seit dem späten 16. Jahrhundert standardisiert und verbreitet wurde.155 Kupelwiesers Darstellung der Gerechtigkeit mit den Attri-buten Schwert und Waage entspricht genau dem Typus der Justitia bei Cesare Ripa, wobei diese von allen Kar-dinalstugenden am wenigsten ikonographischen Wand-lungen unterworfen war.156 Die Stärke wird in der Austria­ Allegorie, anders als in Cesare Ripas Iconologia die Kardinalstugend der Fortitudo, nicht mit Rüstung, Schild und Speer ausgestattet, sondern in mittelalterlicher Tra-dition mit einem Löwen.157 Dieses Attribut findet sich auch in Zusammenhang mit der Fortezza bei Ripa, die hier als Krieger in Rüstung mit Speer, Schild und zwei Löwen dargestellt wird.158 Die Weisheit entspricht der Tugend der Prudentia bei Ripa, die dort mit den Attribu-ten Spiegel und Schlange ausgestattet ist. Die Geschichts-schreibung, die Ripa als geflügelte Frau auf dem Rücken des Zeitgottes Chronos schreibend darstellt, wird oft von den Attributen Globus oder Weltkarte begleitet, welche auf die wichtigen historischen Schauplätze verweisen. Urkunden, Bücher, Feder und Tinte sind Symbole der schriftlichen Quellen der Historiographie.159 Auch die Darstellung der Religion folgt der barocken Typisierung und zeigt, wie bei Ripa, ein verhülltes Haupt, allerdings fehlen in Kupelwiesers Interpretation die Attribute wie Kreuz und flammende Hände.160 In fast allen Vorstadien zur Austria­ Allegorie und in der endgültigen Ausführung finden sich ein oder mehrere Putto-ähnliche Figuren. Vier nicht geflügelte Engel zieren die vier Ecken der Darstellung in der Mitte des ersten Gesamtentwurfs161 bzw. der Pauszeichnung162, zwei von ihnen haben Attribute wie ein Buch und angedeutete Getreidegarben. Sie unterscheiden sich deutlich von dem großen geflügelten Genius, welcher der Austria den Bin-denschild und Lorbeerzweige entgegenhält, und haben 154 Ebd. p. 56.155 Vgl.: Telesko (1993) p. 3 – 17. 156 Ebd. p. 39.157 Ebd. p. 32.158 Ripa (1764 – 1767) 2. Bd., p. 109.159 Vgl.: Telesko (1993) p. 132f.160 Ripa (1764 – 1767) 5. Bd., p. 11.161 Erster Gesamtentwurf für die Deckengemälde, Universität Graz, Institut für Kunstgeschichte.162 Niederösterreichisches Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/1038.163 Niederösterreichisches Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/347.164 Niederösterreichisches Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/348.165 Skizzen für den Gesamtentwurf von Wand- und Deckengemälden, beidseitig bezeichnetes Blatt; Universität Graz, Institut für Kunst-geschichte.166 Feuchtmüller (1970) p. 131.167 Vancsa (1973) p. 160f, Anm. 12.168 Programmentwurf II, siehe Anhang. 169 Programmentwurf III, siehe Anhang.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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