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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Page - 53 -
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Page - 53 - in Das zusammengedrängte Gedenken

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53 lautet: „Rechts von der ,Austria‘ ist ein kindlicher Engel, wel­ cher die ,Liebe‘ darstellend, ihr einen Lorbeerkranz reicht.“ Dieser Text, der 1851 zusammen mit der Stichfolge publi-ziert wurde, ist zwar im Allgemeinen deutlich an Kupelwie-sers Programmentwürfen orientiert, weicht aber in diesem Punkt von dessen Auffassung ab. In Kenntnis der beiden von Kupelwieser verfassten Texte170 wird man die kleine geflügelte Figur im Sinne Vancsas unmittelbar der Austria zuordnen und nicht als Personifikation der Liebe lesen. Im Erläuterungstext zu der Stichfolge findet sich über den Bezug der Austria-Allegorie zu den um sie angeord-neten historischen Darstellungen folgende Anmerkung: „Die Umgebungen dieses Mittelbildes enthalten Darstellun­ gen aus der Geschichte Österreichs, welche als Tatsachen jene allegorischen Gestalten des Mittelbildes geschichtlich belegen.“ 171 Die Programmentwürfe geben keine genaue Auskunft, wie die einzelnen Szenen auf die allegorischen Figuren zu beziehen sind. Lediglich der Erläuterungstext von 1851 erklärt die Zusammenhänge im Einzelnen genauer: „St. Severin, als Apostel Österreichs, bezeichnet den Glau­ ben, Leopold die Gerechtigkeit. Rudolph als Stifter der Uni­ versität, die Weisheit, und die Gründer der Stephanskirche Belebung der Künste und Wissenschaften.“172 Schon Eckart Vancsa bezweifelte die Richtigkeit die-ser Ausdeutung. Die Bezeichnung des kleinen Engels als Personifikation der Liebe erscheint fragwürdig, da sie inhaltlich nicht schlüssig ist und in der Form auch in keinem der Programmentwürfe aufscheint. Weiters ist die Bezeichnung der Komposition Die Gründer der St. Ste­ phanskirche als Darstellung der „Belebung der Künste und Wissenschaften“ nicht verständlich, zumal eine entspre-chende Personifikation im Mittelbild nicht aufscheint, außerdem kann in diesem Erklärungsschema keine his-torische Szene der Personifikation der Kraft zugeteilt werden. Vancsa schlägt folgenden Interpretationsschlüssel vor: Glaube und Ruhm (der kleine Engel mit Lorbeer-kranz) gehören unmittelbar zur Austria und beziehen sich auf alle Darstellungen, während der Gerechtigkeit die Szene Odoaker vor Severin, der Weisheit die Gründung der Universität, der Kraft die Eroberung von Melk und der Geschichte die Gründung der Stephanskirche zugeordnet werden kann. In jedem Fall muss in Kenntnis der Entwicklung des Programms festgestellt werden, dass die Beziehungen der einzelnen geschichtlichen Szenen zu den Allegorien des Mittelbildes inhaltlich nur in sehr allgemeiner Weise hergestellt werden können. Mehrere Tatsachen sprechen dagegen, dass der Konnex zwischen Allegorien und Geschichtsszenen von Anfang an in dieser Form konzipiert war: Schon im ersten Programmentwurf formulierte Kupelwieser: „So wie im oberen Raume die Allegorie in der Mitte durch die historischen Darstellun­ gen erklärt wird […].“ Die Austria-Allegorie ist in dem, mit dem ersten schriftlichen Programmentwurf unmit-telbar in Zusammenhang stehenden ersten Gesamtent-wurf für die Deckengemälde173 nicht von Personifika-tionen umgeben und der inhaltliche Bezug der sechs umgebenden Gemälde kann sich nur auf die Figur der Austria selbst bzw. ihre nach oben gerichtete Verweis-geste als Zeichen des höheren Segens, der ihr stets zuteil wurde, auf die stürmische Woge, die sich zu ihren Füßen bricht, und auf die Insignien der Würde und Macht richten.In der darauf folgenden Fassung des Bildprogramms, die im Gesamtentwurf für Decke und Wände des Marmor-saals formuliert wird, sind für das zentrale Deckenge-mälde drei Personifikationen und mehrere Genien, aber bereits vier dieses Mittelbild umgebende geschichtliche Darstellungen vorgesehen. Eine eindeutige Zuordnung nach dem Schema eine Personifikation – eine geschichtliche Szene wäre in diesem Fall gar nicht möglich gewesen. Weiters war anstatt der Szene der Gründung der Universi­ tät in dem oben genannten Entwurfsblatt ursprünglich eine Darstellung der Gründung Klosterneuburgs vorge-sehen, die mit der Allegorie der Weisheit inhaltlich nicht überzeugend übereinstimmt. Nachdem die Aufteilung der Decke in die zentrale Austria-Allegorie und umgebende geschichtliche Szenen schon zu einem frühen Zeitpunkt stattfand, eine Zuord-nung im Detail aber erst nach inhaltlichen Änderungen sowohl der Austria-Allegorie als auch der historischen Darstellungen erfolgte, erscheint die Interpretation des Erläuterungstextes zu schematisierend und konstruiert. Kupelwieser selbst traf nie eine derartige Zuordnung.Feuchtmüllers174 Deutung, die Religion beziehe sich auf die Severin-Szene, die Liebe auf Bischof Kollonitsch, die Weisheit auf die Gründung der Universität, die Gerechtigkeit auf die Gerichtsszene mit Leopold dem Glorreichen, die Kraft auf den Sturm auf Melk und die Geschichte auf alle übrigen Szenen, erscheint inhaltlich schlüssig. Dennoch ist auch schon im zweiten Programm- 170 Die erst 1993 vom Niederösterreichischen Landesmuseum erwor-benen Schriftstücke waren weder Rupert Feuchtmüller noch Eckart Vancsa zugänglich.171 Ohne Autor (ca. 1851) o.S., Text zu Bildfeld I.172 Ebd. Text zu Bildfeld I.173 Erster Gesamtentwurf für die Deckengemälde, Universität Graz, Institut für Kunstgeschichte.174 Feuchtmüller (1970) p. 131.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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