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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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64 grund.215 Durch diese Darstellungsart soll die Unterlegen-heit der Magyaren nicht nur im Kampf, sondern auch in ihrer kulturellen Entwicklung betont werden. Anregungen zu der Burganlage könnte Kupelwieser auf seiner ausgedehnten Reise im Jahr 1848 erhalten haben, auf der er die Ruine Dürnstein und die Burg See-benstein besuchte, wie Zeichnungen in seinem Skizzen-buch aus der Zeit bezeugen.216 Zu den bildlichen Quellen Das Motiv der Eroberung von Melk hat in Österreich eine lange Darstellungstradition; schon der Babenberger Stammbaum in Klosterneuburg etwa zeigt eine entspre-chende Szene. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schuf Carl Ruß eine Serie von Feder- und Pinselzeichnungen mit Themen aus der österreichischen Geschichte, in der sich eine der Komposition Kupelwiesers sehr ähnliche Inter-pretation der Eroberung von Melk findet.217 Die Motive des weit ausschreitenden Markgrafen, der sein Schwert gegen den Feind schwingt, und des unterlegenen Magya-ren, der am Boden geduckt den Schwerthieb mit beiden Armen abzuwehren versucht, weiter die Darstellungen der Ritter, die auf Leitern die Zinnen erklimmen, und die Donaulandschaft im Hintergrund, über der symbolträch-tig das Banner mit dem Kreuz weht, begegnen in beiden Kompositionen. Frühe Entwürfe Kupelwiesers zu seinem Gemälde Der Sturm auf Melk zeigen den Markgrafen, wie in der Zeichnung von Carl Ruß, dem Betrachter halb abgewandt.218 (Abb. 86, 87)Anders als bei Kupelwieser, finden sich in der entspre-chenden Darstellung von Ruß sowie auch in der kompo-sitionell und thematisch verwandten Darstellung Herzog Leopold V. vor Ptolemais im Jahr 1191 aus demselben Zyk-lus Anachronismen wie Plattenharnische und Helme mit Visier und üppigen Federbuschen, wie sie erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts üblich wurden.Wie schon Vancsa in seiner Arbeit zu österreichischer Geschichtsmalerei bemerkte, weist die Gesamtkonzep-tion des Gemäldes Der Sturm auf Melk auch große Ähn-lichkeiten mit dem Fresko Die Eroberung Bisertas von Julius Schnorr von Carolsfeld im Casino Massimo auf, das seit 1808 in den Schauräumen des Unteren Belvedere der Öffentlichkeit zugänglich. Auch wissenschaftliche Werke über historische Kostüme können dem Künstler als Quelle gedient haben. So etwa erstellte Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck in den Jahren 1840 – 1854 ein umfassendes Werk zu mittelalterlichen Trachten, dessen ausführliche Beschreibungen sich auf zeitgenössische Darstellungen gründen. Zur Ausrüstung frühmittelalter-licher Ritter heißt es hier: „Ketten­ und Schuppenhemden wurden allgemein, gingen bis ans Knie, bedeckten Arm und Hand, sowie auch den Kopf, so daß nur das Gesicht von den Augen bis zum Munde dar­ aus hervorsah. Auf gleiche Weise wurden die Beine bedeckt. Die Kopfbedeckung über der Panzerkappe bestand aus einem Helm von conischer oder zugespitzter, verbogener Form und hatte eine herabhängende Verlängerung zum Schutz der Nase.“212 Diese Art von Helm ist z.B. an dem Ritter rechts im Vor-dergrund gut erkennbar, während Leopold mit einem einfachen Helm ohne Nasenschutz dargestellt ist, ver-mutlich, um seine Gesichtszüge besser zeigen zu können. Zur frühmittelalterlichen Kampfausrüstung heißt es bei Hefner-Alteneck weiter: „Das Schwert von beträchtlicher Länge, am Griff mit einem runden oder verzierten Knopfe und einer starken Parier­ stange versehen, hing an einem um die Hüften befestigten Gürtel. Der Schild, statt der älteren runden Form, wurde jetzt sehr lang, nach unten in eine Spitze endend […] und so gebogen, daß er den Körper halb umschloß. Da diese Schilde sehr schwer waren, auch öfters bei der Bestürmung von Fes­ ten zum Schutz gegen herabgeworfene Steine auf den Rücken gelegt wurden, befestigte man sie an einem starken Riemen, der von der Schulter quer über die Brust ging.“213 Leopold I. trägt in der Darstellung seinen Schild in der hier beschriebenen Weise mittels eines Riemens am Rücken befestigt. Die unten spitz zulaufende Schildform ist z.B. bei dem rechts von Leopold im Hintergrund kämp-fenden Ritter zu sehen. „An den Lanzen wurden öfters schmale Fähnchen mit einem Kreuz befestigt, solche befahnte Lanzen waren schon lange vor den Kreuzzügen unter den Ottonen üblich.“214Eine solche Lanze hält der links im Mittelgrund über eine Mauer kletternde Ritter gleich einem Banner hoch.Kleidung und Ausrüstung der Magyaren wird wesent-lich primitiver dargestellt. Sie tragen einfache Hemden und benützen noch runde Schilder, Streitäxte und Pfeil und Bogen. Mitunter werfen sie mit großen Steinen nach den Eroberern, wie rechts oben im Hintergrund zu sehen ist, oder tragen einfache, mit Spitzen besetzte Keulen, wie der gefallene magyarische Krieger rechts im Vorder- 212 Hefner-Alteneck (1840 – 1854) Bd. XX, p. 19.213 Ebd. p. 19.214 Ebd. p. 19.215 Die Waffe ist nur auf dem Karton sichtbar, in der Fresko-Ausfüh-rung befindet sie sich außerhalb des Bildausschnittes. 216 8. Skizzenbuch, um 1848, NÖ Landesmuseum Inv. Nr. 7000/517.217 Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, 280.990-B, Blatt Nr. 41.218 Niederösterreichisches Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/348.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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