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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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Page - 82 - in Das zusammengedrängte Gedenken

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82 verglichen, Quaden und Markomannen werden zu deut­ schen Völkerschaften, die sich gegen den übermächtigen Feind verbünden, und der Kampf gegen die Römer wird als Vorspiel zur Völkerschlacht bei Leipzig gedeutet.277 Bei dieser Überblendung der Überlieferung mit aktu-ellen Ereignissen wird auch der Ort des Geschehens mit symbolischer Bedeutung aufgeladen. Das Marchfeld, wo sich Markomannen mit Quaden und Herulern vereinigten und das römische Heer erwarteten, wird zur „Bühne gro­ ßer Weltbegebenheiten“278. Nicht nur die Quaden- und Markomannenschlacht soll hier stattgefunden haben: „So hat das Auge der größten Helden, Odoakers und Diet­ rich von Bern, Carl des Großen und des Barbarossa hier gehaftet.“279Rudolf von Habsburg schlug hier der Überlieferung nach den Böhmenkönig Ottokar II. Prˇemysl, und nicht zuletzt wurden ebenda die Schlachten von Aspern und Wagram ausgetragen.280 Hormayr bezeichnete jedoch bereits im selben Werk diese Projektion der Ereignisse auf einen Ort als „irrige Annahme“281 und Anton Ziegler schrieb 1843: „Die gleichwohl höchst irrige Ueberlieferung ist uralt; die Schlacht sey im Angesichte Vindobonas geschehen, im March felde wie die Rudolphsschlacht mit Ottokar, wie jene von Aspern und Wagram.“282 Figur des sitzenden alten Mannes mit dem Wasserkrug, bei der es sich um die Gestalt des Jupiter Pluvius handelt, der nach der Überlieferung von Cassius Dio270 die Legio XII. Fulminata271 durch einen Gewitterregen, das soge-nannte Regenwunder, vor dem Verdursten rettete, feind-liche Krieger durch Blitzschlag tötete oder die Sehnen ihrer Bögen erschlaffen ließ und so den Ausgang der Ent-scheidungsschlacht im Sinne der Römer entschied.272 Die historisch belegbare Begebenheit des die Schlacht entscheidenden Unwetters wurde zum Ausgangspunkt einer christlichen Sage, nach der die XII. Legion aus Christen bestanden haben soll, die durch ihre Gebete das römische Heer retteten.273 Diese Literaturstelle gilt als erstes Zeugnis des Christentums im österreichischen Raum, und es erscheint denkbar, dass unter anderem auch dieser Aspekt Kupelwieser zur Wahl des Bildgegen-standes bewog. Die christliche Deutung des Ereignisses entsprach dem Leitmotiv des Freskenzyklus, das österrei-chische Identität vor allem von einer langen christlichen Tradition ableitet.Ziska berichtet von dem Ereignis in Anlehnung an die Marcusvita274, ohne es als christliches Wunder zu inter-pretieren:„Dennoch wurde die römische Gränze, insbesondere durch die Quaden fortwährend beunruhigt. Aurel beschloß sie zu züchtigen. Mit einem auserlesenen Heere setzte er daher bei Vindobona, mittels einer Schiffsbrücke, über die Donau und drang im Marchfelde auf sie ein. Allmählich zogen sich die Quaden bis an die Vorläufer der Karpathen kämpfend zurück, bis sie die römische Legion in eine tiefe Wildnis ver­ lockt hatten. Hier durch schroffe Felsen auf einem engen Raume dicht zusammengedrängt, bei glühender Sonnenhitze schon Tagelang des Wassers entbehrend, und dabei todmüde durch den unaufhörlichen Kampf mit dem Feinde, sahen sich die Römer rettungslos verloren. Ein Wunder konnte sie nur befreien, – und es geschah. Urplötzlich verfinsterte sich der Himmel und Jupiter Pluvius ließ Ströme erquickenden Regens auf die Römer herabstürzen, die das dankende Auge gegen Himmel gerichtet, denselben mit dem Munde auffingen […]. Mit ungestümer Tapferkeit drangen jetzt die Quaden auf sie ein; aber Blitzstrahlen ohne Zahl, von dem furchtbarsten Donner begleitet, schlugen sie zurück und stürzten verhee­ rend auf sie nieder. In einem Feuerpfühl eingehüllt sahen sich die Quaden mitten im Regen. Da ergriff sie panische Furcht, ja Wahnsinn, ob des entsetzlichen Grimmes fremder Mächte, und verzweiflungsvoll ergaben sie sich den Römern.“275 Anton Ziegler276 griff in seinem Werk Historische Memo­ rabilien des In­ und Auslands nicht nur Eusebius’ Interpre-tation des Ereignisses als christliches Wunder auf, sondern deutete es auch in einem aktuellen politischen Kontext. Die römischen Truppen werden hier mit Napoleons Heer 270 Cassius Dio (135 – 255 n. Chr.), Römischer Senator, Konsul und Geschichtsschreiber.271 Die Blitz-Legion, ursprünglich 58 v. Chr. von Julius Caesar aus-gehoben, nach ihrer Auflösung 43 v. Chr. von Marc Aurel wieder aufgestellt. Das Legionszeichen war ein Blitz. In der neueren Forschung geht man davon aus, dass der Name der Legion Anlass dazu war, sie mit dem Regenwunder in Verbindung zu bringen. Vgl.: Piso (2005) p. 351.272 Die Informationen scheinen auf einen von Tertullian erwähnten, wahrscheinlich authentischen Brief Marc Aurels an den Senat zurückzugehen. Vgl.: Piso (2005) p. 351, Anm. 16 und 17.273 Cassius Dio und die Marcusvita führen das Ereignis auf das Gebet des ägyptischen Magiers Arnuphis bzw. auf Gebete des Kaisers selbst zurück. Eusebius von Caesarea (ca. 260 – ca. 337 n. Chr., Verfasser einer frühen Kirchengeschichte) formulierte erstmals eine christliche Deutung des Wunders. Er bezog sich dabei auf den nur eine Generation nach dem Feldzug schreibenden Chris-ten Tertullian, der davon berichtete, dass Marc Aurel einen Brief hinterlassen habe, in dem er bestätigt, durch die Christen geret-tet worden zu sein. Vgl.: Heinzelmann (2002) p. 36.274 Die Marcusvita ist unter dem Namen Iulius Capitolinus als eine der dreißig Kaiserviten in der Sammlung erhalten, die als Historia Augusta bezeichnet wird. 275 Ziska (1847) p. 12f.276 Ziegler (1840) 1. Bd., p. 46.277 Ebd. p. 46.278 Hormayr (1823 – 1825) 1. Bd., Heft 2, p. 50.279 Ebd. p. 50.280 Ebd. p. 50.281 Ebd. p. 84.282 Ziegler (1843 – 1849) 1. Bd., p. 72, Fußnote (**).
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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