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96 Dom.343 Sie zeigt den König streng frontal, in königlichem
Ornat, bestehend aus einem Untergewand und einem
Mantelumhang mit großer Spange, geschmückt nur mit
Krone und den Reichsinsignien. Sein ungeschöntes
Ant-litz
mit Falten und großer Hakennase ist in einem für
diese Zeit ungewöhnlichen Realismus gearbeitet. In
Kupelwiesers Fresko erscheinen Rudolfs Gesichtszüge im
Verhältnis dazu zwar idealisiert, aber im Karton erkennt
man deutlich das knochige Gesicht, die eingefallenen
Wangen und müden, eingesunkenen Augen eines alten
Mannes. Kupelwieser stellte Rudolf von Habsburg im
Krö-nungsornat
der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
dar. Er trägt die Alba, ein langes, gelblich-weißes Gewand
mit einer reich mit Gold bestickten Borte, die goldene,
vor der Brust gekreuzte Stola und den Krönungsmantel,
einen halbrunden, bis zum Boden reichenden offenen
Umhang aus roter, gold bestickter Seide, der nach Art
eines Chormantels auf beiden Schultern liegend getragen
wurde.344 Wie auf der Grabplatte hält Rudolf auch hier
sich, in der Funktion einer Scharnierfigur, aus dem
Gemälde heraus unmittelbar dem Betrachter zuwendet
und so den Blick in das Bildgeschehen hinein führt.
Durch eine Weisungsgeste lenkt er zugleich die
Aufmerk-samkeit
auf das Wappen in seiner Rechten, welches den
österreichischen Bindenschild und den habsburgischen
roten Löwen auf goldenem Grund zeigt. Im Hintergrund
des Gemäldes sind die Dächer und Türme des
mittelal-terlichen
Augsburg zu erkennen. Im entsprechenden
Bildfeld des Gesamtentwurfs für die Wand- und
Decken-gemälde
sowie in dem Entwurf für das Gemälde fehlt
die Figur des Jünglings mit dem Bindenschild noch.
(Abb. 134,
135)Trotz
des offiziellen, zeremoniellen Charakters der
dargestellten Szene gelang es Kupelwieser in der für ihn
charakteristischen Art, dem Ereignis zugleich auch eine
persönliche Dimension zu verleihen. In der Blickachse
zwischen Rudolf und Albrecht entsteht ein inniger
Moment zwischen einem Vater, der gütig von seinem
würdevoll erhöhten Sitz herabblickt, und seinem Sohn,
der zu ihm aufschaut.
„Historische Wahrheit“ und Konstruktion im
Gemälde „Belehnung Albrechts I.“
In der Gestaltung der Figuren, ihrer Gewänder und der
umgebenden Stadtlandschaft bemühte sich Kupelwieser
um möglichst große historische Genauigkeit. So
orien-tierte
er sich, wie viele Künstler seiner Zeit, bei der
Dar-stellung
Rudolfs an der berühmten, um 1291 datierten
und erst 1811 wiederentdeckten Grabplatte im Speyrer 343 Eine genaue Kopie dieser Grabplatte, von Hanns Knoderer 1508
in Tempera gemalt, befand sich als Teil der Ambraser Sammlung
seit dem Jahr 1806 in der k. k. Gemäldegalerie im Belvedere (Vgl.:
Primisser 1819, p. 24f.). Die Darstellung wurde 1821 in dem Band
über die von Kaiser Maximilian in Auftrag gegebenen
Stamm-tafeln
der Habsburger als Lithographie publiziert (Primisser
1821, Taf. 56, fig.II). In Ziskas Werk zur Geschichte der Stadt Wien
(1847) findet sich eine Zeichnung nach dem Grabdeckel zu
Speyer von Ludwig Schnorr von Carolsfeld (Ziska 1847, p. 94).
Zur geschichtlichen Entwicklung des Rudolf-Typus allgemein vgl.:
Fastert (2000) p. 48f.
344 Alba und Krönungsmantel werden seit dem Jahr 1801 in der
Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt.
Abb. 135: Detail aus dem zweiten Gesamtentwurf für die Wand- und
Deckengemälde: Bildfeld „Albrecht Herzog in Öst. 1283“; Bleistift, geripptes
Papier, gesamt 418 x 569 mm; Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/348.
Abb. 134: Detail aus einem Blatt mit Skizzen zu Wand- und Decken gemälden:
Entwurf zu dem Gemälde „Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I.“;
Bleistift, geripptes Papier, gesamt 260 x 330 mm; Universität Graz, Institut für
Kunstgeschichte.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306