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Abb. 141: Detail aus dem ersten Gesamtentwurf für die Deckenbilder:
„Leopold der Glorreiche“; Bleistift, geripptes Papier, gesamt 270 x 450 mm;
Universität Graz, Institut für Kunstgeschichte. Abb. 142: „Leopold der Glorreiche“; schwarze Feder, Transparentpapier,
195 x 260 mm; Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/1041.
positionell verändert. Das Bild betitelt Kupelwieser nun
mit Leopold VII. giebt Österreich Gesetze und Privilegien
1180. (Abb. 143,
144)Der
Herrscher thront hier neben seiner Gemahlin
Theodora etwas erhöht über seinen Untertanen und
reicht einem vor ihm knienden und zu ihm aufblickenden
Mann eine Urkunde mit Siegel. Mit der Darstellung einer
jugendlichen Figur im Vordergrund, die einen schweren
Ballen trägt, nimmt Kupelwieser das Motiv der
verschnür-ten
Handelswaren aus dem ersten Gesamtentwurf368
wie-der
auf. Auch die sich im Bau befindende Stadtmauer
oder Burg, die in dem ersten Entwurf im Hintergrund
erkennbar ist, wird in die Zeichnung übernommen. Die
beiden Harfenspieler rechts hinter dem Herrscherpaar
verweisen auf Leopolds Reputation als Förderer der
Künste und vor allem des Minnesangs.
Während Leopold Kupelwieser in dieser zweiten
Ent-wurfszeichnung
thematisch an die Version vom ersten
Gesamtentwurf anschließt, zeichnet sich im Aufbau der
Komposition bereits die dritte, schließlich als Fresko
ausgeführte Fassung ab: Der Herrscher sitzt auf einem
erhöhten Thron vor einem nicht genau erkennbaren
Bauwerk, die im Vordergrund ausschnitthaft
wieder-gegebene
Figur und die Zinnen der Stadtmauer im
Hin-tergrund
nehmen bereits die wesentlichen
Komposi-tionselemente
des schließlich ausgeführten Kartons
vorweg.
In der letztgültigen Fassung stellte Kupelwieser
Leopold den Glorreichen schließlich in einen anderen
szenischen Kontext: Durch die Umformulierung des
Bildgegenstandes in eine Gerichtsszene wird weniger
seine Fürsorglichkeit als seine Gerechtigkeit zur zentra- len Bildaussage. Indem der Künstler den Markgrafen
nun ohne seine Gemahlin in der Bildmitte darstellt, wird
die Komposition vereinfacht und der programmatische
Leitgedanke – die Gerechtigkeit des Herrschers – klarer
formuliert. Dementsprechend wird auch seine Haltung
verändert: Kupelwieser zeigt den Markgrafen nun in
Frontalansicht, seine Aufmerksamkeit ist nicht mehr
seinen Untertanen zugewandt, sondern er blickt ruhig
und unbewegt dem Betrachter direkt entgegen und
wird so zu einer überzeitlichen Symbolfigur des gerechten
Richters überhöht. Die Handlung ist nun von Wien nach
Tulln verlegt, und das Gebäude rechts hinter Leopold
wird konkretisiert, es handelt sich eindeutig um
die Dreikönigskapelle. In der weiblichen Figur mit den
beiden Kindern im Vordergrund kehrt das Motiv
der knienden Frau mit Kind aus dem ersten Entwurf
wieder.
Unmittelbares Vorbild für diese Komposition dürfte
Julius Schnorr von Carolsfelds Gemälde Einsetzung des
Landfriedens durch Rudolf in den Kaisersälen der
Münch-ner
Residenz gewesen sein. Der Karton zu dem Fresko
wurde 1841 in der Kunstausstellung an der Wiener
Aka-demie369
gezeigt, und Kupelwieser hatte während seines
368 Erster Gesamtentwurf für die Deckengemälde, Universität Graz,
Institut für
Kunstgeschichte.369
Kunstwerke, öffentlich ausgestellt im Gebaeude der oesterreichisch
kaiserlichen Akademie der vereinigten bildenden Kuenste bey St. Anna.
Im Jahre 1841, Wien 1841, unter der eigenen Abteilung Carton
Zeichnungen von Julius Schnorr von Carolsfeld. Der Karton ist unter
dem Titel Rudolf als Richter vermerkt. Die Darstellung war auch
durch den 1844 entstandenen Umrissstich von Julius Thaeter
nach der Kartonvorlage verbreitet.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306