Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Page - 107 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 107 - in Das zusammengedrängte Gedenken

Image of the Page - 107 -

Image of the Page - 107 - in Das zusammengedrängte Gedenken

Text of the Page - 107 -

107 zinnenabschluss sowie zwei runden Ecktürmchen.401 Möglicherweise wurde Kupelwieser durch diesen mittel-alterlichen Bau, dessen Namen schon auf die Periode der Babenberger verweist, zu der burgähnlichen Architektur im Hintergrund des Bildes angeregt.Kupelwieser erzeugt durch diese drei architektoni-schen Motive Stadtmauer, Karner und (rekonstruierte) Burg sehr wirkungsvoll den Eindruck einer frühmittelal-terlichen Stadt. Durch die Synthese der einzelnen archi-tektonischen Zitate konstruierte der Künstler einen fik-tiven Zustand und verdichtet den Hintergrund zur Kulisse einer idealen Vergangenheit. gewicht halten und in voller Harmonie zusammenstimmen; sie dürfte daher gegen das Ende des zwölften, oder im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts erbaut sein.“396Die besprochenen Werke belegen, wie intensiv die Aus-einandersetzung mit dem Tullner Karner, seiner Bauge-schichte und seiner kunsthistorischen Bedeutung gerade zur Entstehungszeit von Kupelwiesers Freskenzyklus war. Dabei beschäftigten sich nicht nur Historiker und Archi-tekten mit dem Gebäude, sondern auch Künstler wurden dadurch inspiriert, wie etwa das 1844 in der Akademie ausgestellte Bild Die Waldcapelle nach Motiven der alten Capelle in Tuln und deren Umgebung von Friedrich Loos bezeugt.397 Kupelwiesers Wahl des Motivs ist in Betracht des gro-ßen Interesses an dem Bau nicht überraschend, zumal der Künstler den Architekten Oescher wahrscheinlich von der Kunstakademie kannte und die Kapelle vielleicht sogar selbst im Zuge seiner Reise entlang der Donau 1847 besichtigte. In Kupelwiesers Nachlass wurde in der Kategorie Kupferstiche und Litografien auch eine Samm-lung von Blättern mit dem Titel Baudenkmale von Tuln ud [sic!] Klosterneuburg vermerkt.398 Kupelwieser gelang es, durch die Darstellung dieses unverfälschten Monuments aus der Frühzeit des Erzherzogtums seinem Gemälde einen besonders authentischen Charakter zu verleihen. Zuletzt soll noch auf das schwer deutbare Gebäude im Bildhintergrund eingegangen werden. Der heterogen zusammengesetzte Komplex mit mehreren Türmen und einem überdachten Eingang könnte als Versuch einer Rekonstruktion der Babenbergerburg gedeutet werden, die in Tulln bestanden haben soll. Sickingen interpre-tierte die alten Häuser auf dem Marktplatz als Reste die-ses Gebäudes: „Das ehemalige alte Stadthaus, am östlichen Ende des alten Marktplatzes, ist ein uraltes Gebäude, enthält ein Stockwerk mit vier kleinen Thürmchen an seinen vier Ecken, mit plattem Dache, und hat ganz das Ansehen einer alten Burg, die es auch vielleicht einst war, so wie die demselben gegenüber liegenden Bürgerhäuser, welche sämmtlich in sehr altem Styl erbaut sind, gewölbte Zimmer enthalten, und der Sage zu Folge, die alte Burg gebildet haben sollen.“399 Tatsächlich geht auch die neuere Forschung davon aus, dass Tulln unter den Babenbergern ein wichtiger landes-fürstlicher Burgort war und in der Zeit anstelle des Römerlagers eine Burg bestand.400 Ein burgähnliches Haus, das in die Mitte des 15. Jahr-hundert datiert wird, befindet sich noch heute in der Jasomirgottgasse in Tulln. Der sogenannte „Babenberger­ hof“ ist ein zweigeschossiger Eckbau mit hoher, ein drit-tes Geschoss vortäuschender Blendmauer und Rund- 396 Heider (1847) p. 3. Nach heutigem Wissensstand wurde die Dreikönigskapelle erst im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts unter dem letzten Babenbergerherzog Friedrich II. erbaut. Vgl.: Dehio Niederösterreich südlich der Donau, Teil 2 (2003) p. 2407.397 Kunstwerke, öffentlich ausgestellt im Gebaeude der oesterreichisch­ kaiserlichen Akademie der vereinigten bildenden Kuenste bey St. Anna. Im Jahre 1844, Wien 1844, Nr. 300. 398 Feuchtmüller (1970) p. 213.399 Sickingen (1835) p. 179.400 Die großen Burgen aus dem 11. Jahrhundert gehörten dem Markgrafen oder bedeutenden Adelsgeschlechtern, wenn auch ihre ursprüngliche Gestalt nicht mehr zu erkennen ist. Sie dien-ten als Wehrbauten und als Wohnsitz der adeligen Herren. Auf Reichsboden angelegte, später markgräfliche Stadtburgen waren: Melk, Tulln, Wien und Mödling. Die in das späte 13. Jahrhundert zurückgehende Überlieferung, Tulln sei bevorzugte Babenberger-Residenz und Landeshauptstadt gewesen, beruft sich auf Jan Enenkels Fürstenbuch und Stainreuters Österreichische Chronik, beide aus dem späten 14. Jahrhundert; auch Rudolf IV. nennt sie 1364 „Hauptstadt des Landes Österreich“. Diese Bezeichnung ist urkundlich nicht nachweisbar und wird in der neueren Literatur bestritten. Vgl.: Lechner (1976) p. 228 und Dehio Niederöster-reich südlich der Donau, Teil 2 (2003) p. 2398f.401 Dehio Niederösterreich südlich der Donau, Teil 2 (2003) p. 2416.
back to the  book Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Das zusammengedrängte Gedenken