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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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169 „[…] aber obgleich in der Erfindung und Anordnung umfas­ sender und weiter greifend, steht sie doch in dem, was den Gipfel und das Leben der Kunst vollendet, in der Ausführung mit allen ihren Mitteln und Vorzügen hinter der Oelmalerei weit zurück, welche das, was sie leistet, das Leben in seinem innern Reiz, in den Werken lauterer und reiner zurückstrah­ len kann und in dem Zauber der Farben mit dem Zauber der Natur wetteifert.“563 Die mangelnde Ausdrucksfähigkeit der Freskomalerei im Gegensatz zur Ölmalerei wurde vermehrt auch als Bruch zwischen inhaltlichem Anspruch und formaler Umset-zung gewertet; lag die Aussagekraft der Linie im Gedan-ken, so eröffnete die Farbe in ihren direkten sinnlichen Qualitäten hingegen die Möglichkeit der Differenzierung und Einfühlung. 1842 und 1843 traten die großformati-gen Historienbilder der belgischen Maler Louis Gallait und Edouard de Bièfve einen Siegeszug durch Deutsch-land an und lösten eine intensive Debatte über die bis-herige deutsche Geschichtsmalerei aus. Die mit breitem Pinsel pastos gemalten Gemälde mit ihrem tonigen Kolo-rit nützten alle Möglichkeiten illusionistischer Raumdar-stellung und ermöglichten damit dem Betrachter ummit-telbare Anteilnahme am Geschehen. Das Fresko hingegen ist mit seinen beschränkten Formmitteln dem Allgemei-nen verpflichtet und konnte dem neu geforderten Realis-mus, dem Zeit, Ort und Gegenstand charakterisierenden Festhalten von Zufälligem und Unbeständigem nicht genügen. So schrieb Jakob Burckhardt noch im selben Jahr, in dem die belgischen Bilder durch Deutschland reisten: schmückt hatte. Dennoch berichtet Johann Michael Raich von einer Art Gründungs-Ereignis556: „Philipp Veit war es, der durch einen damals noch lebenden Arbeiter, dessen sich Mengs für seine Fresken bedient hatte, ein Stück Mauer zurichten ließ und in Gegenwart von Over­ beck und Cornelius auf die Aufforderung des letzteren: Nun, Philipp, mache du die erste Probe! seine Kunst versuchte und den ersten wohlgelungenen Kopf al fresco malte.“557 In diesem inszenierten Neubeginn findet über die Figur des altgedienten Gehilfen zugleich ein Rückbezug auf die frühere Tradition der Freskomalerei statt. Auch die Wahr­ haftigkeit der Maltechnik im Sinne eines einmaligen und danach unwiederholbaren und unabänderlichen Malpro-zesses ist eher programmatisch-ideologisch zu interpre-tieren denn als tatsächliche Arbeitspraxis: Die Restaurie-rung von Schadows Fresko aus der Casa Bartholdy etwa ergab, dass das gesamte Bild mit Ei- bzw. Kasein-Tempera übermalt ist.558 Entsprechendes schrieb Joseph Ernst Tunner 1830 an Edward von Steinle: „Das Fresco in S. Trinità ist fertig; Veit ist damit zufrieden; ich hoffe mit Hilfe der Tempera das Bild in einen leidlichen Stand zu bringen.“559 Und die erste große „Gemeinschaftsarbeit“ der Nazarener Cornelius, Schadow, Veit und Overbeck erweist sich bei genauer Betrachtung als idealisierende Stilisierung, denn, abgesehen von den Klagen über die Schwierigkei-ten bei der gemeinsamen Arbeit führte jeder seine zwei ihm zugeteilten Bildfelder „völlig allein, nach seiner eige­ nen individuellen Weise und Styl“560 aus, wobei die Künst-ler untereinander offenbar wenig kooperierten, da sie verschiedene Lichtquellen und Größenverhältnisse für ihre Werke annahmen. 561 In den Jahren darauf sollte das Prinzip des Freskos in der Form, in der es programmatisch am Beginn der Naza-rener-Bewegung konzipiert wurde, an Bedeutung verlie-ren. Ab den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Freskomalerei zunehmend nicht nur von Kunstkritikern, sondern auch von vielen Künstlern selbst an den Krite-rien der Ölmalerei gemessen und in der Folge als unzu-länglich und einschränkend empfunden. Während seiner Arbeit an den Nibelungensälen in der Münchner Resi-denz schrieb Schnorr von Carolsfeld: „Meine Zweifel wurden sehr bald zur Gewissheit, daß die Freskomalerei mir keine ausreichenden Mittel biete zur Aus­ führung eines Werkes, durch dessen Gelingen oder Nicht­ Gelingen die Bedeutung meines Künstlerlebens bedingt wer­ den sollte; daß es mir also erwünscht sein müßte, eine andere, vollkommnere Technik wählen zu dürfen […].“562 Und schon 1831 findet sich im Kunstblatt zur Freskoma-lerei folgende Kritik: 556 Die jungen Künstler bereiteten sich theoretisch und praktisch auf ihren ersten großen Fresko-Auftrag vor: „Schadow berichtet in seinen Jugenderinnerungen, Overbeck habe technische Vorstudien in altitalienischen Handbüchern gemacht und einen greisen Maurer auf­ getrieben, welcher bei einem Gehülfen von Rafael Mengs Dienste gelei­ stet hatte. Nun wurden eifrig Versuche gemacht und Hände und Köpfe probeweise auf die nasse Mauerspeise gemalt.“ (Schadow, Jugender-innerungen, 8. Sept. Nr. 730, zit. nach: Droste 1980, p. 137, Anm. 35). Overbeck hatte auch das 1813 erschienene Werk zur Mal-technik, saggio analitico chimico sopra i colori minerali von Palmeroli, einem bekannten Gemälderestaurator, studiert. (Droste 1980, p. 137, Anm. 35). Overbeck schreibt 1816 an Vogel: „Veit hat schon eine Probe im Fresco=malen auf einer Schieferplatte gemacht, da er mit seinem einfacheren Gegenstand zuerst fertig war.“ Zit. nach: Howitt (1886) 1. Bd., p. 388.557 Howitt (1886) p. 388, Anm. 1.558 Gronau (1967) p. 55ff.559 Steinle (1897) p. 207.560 Raczynski (1841) 3. Bd., p. 435.561 Vgl. Droste (1980) p. 141, Anm. 55.562 Schnorr von Carolsfeld (1909) p. 110.563 Berlinische Briefe über Kunst und Kunstsachen, p. 16, zit. nach: Droste (1980) p. 52.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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