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rienmalerei vor allem als deutsch-national verstanden
hatten, kehrten Wien enttäuscht den Rücken.
Große Aufträge für Historienbilder waren in der
dar-auf
folgenden Zeit selten und hatten, anders als in
Deutschland, keine öffentliche Plattform. Hevesi schrieb
rückblickend:
„Viel wurde einstweilen aus alledem [der Historienmalerei,
Anm.] nicht. Im Publikum war der Anteil gering, Käufer und
Besteller blieben aus, und nur jedes dritte Jahr gab es eine
Kunstausstellung. So zogen sich die Historiker aus großen
Träumen in kleine Rahmen zurück und malten höchstens
militärische Genrebilder.“607
Auftraggeber waren zunächst weiterhin Mitglieder des
Hofes oder des Hochadels. Bei großen Projekten wie der
Ausschmückung der Franzensburg (Laxenburg,
Nieder-österreich),
der Burg Thernberg (Bucklige Welt,
Nieder-österreich)
oder dem Brandhof608 (Gemeinde Gusswerk,
Steiermark), die eher Rückzugsgebiete der Herrscher
dar-stellten
und keinen öffentlichen Charakter hatten,
han-delte
es sich bezeichnenderweise vorwiegend um Öl-
oder Glasgemälde, was dem privaten Charakter der
Aufträge eher entsprach als Fresken. Immer wieder
wur-den
Rufe nach großen Aufgaben für die bildenden
Künst-ler
laut, aber es mangelte nicht nur an Geld – die Kriege
gegen Napoleon hatten den Staatshaushalt und die
Finanzen der Adeligen stark belastet –, es fehlte auch an
einer übernationalen Identifikationsfigur und an
histo-rischen
Stoffen, die für alle Länder der Monarchie
glei-chermaßen
identitätsstiftend wirken konnten. Im
Allge-meinen
beschränkte man sich daher auf die Geschichte
des Herrscherhauses – Darstellungen früherer Regenten
oder auch Szenen aus deren großer Vergangenheit wie
Rudolf von Habsburg und der Priester, sein Sieg über
König Ottokar II. Prˇemysl bei der Schlacht auf dem
Mar-chfeld
oder die Hochzeit Maximilians I. mit Maria von
Burgund. Die Stoffe hatten allesamt wenig Bezug zur
Gegenwart und waren kaum dazu geeignet, im einfachen
Bürger patriotische Begeisterung zu
entzünden.1811
schließlich sollte es Johann Peter Krafft gelingen,
mit seinem Gemälde Erzherzog Carl mit der Fahne des
Regimentes Zach in der Schlacht bei Aspern innerhalb der
österreichischen Geschichtsmalerei einen neuen Bild-
Anton Petter, Carl Ruß, Sigmund Ferdinand Ritter von
Perger, Joseph von Führich und Ludwig Schnorr von
Carolsfeld zählten und die Hormayrs Vorstellung einer
Potenzierung der Wahrheit durch das Schöne603 umzusetzen
begannen.
„Die Künste sind es, an denen der Zahn der Zeit, wie die
Macht der Tyrannen ohnmächtig abgleitet, und spurlos vor
übergeht, sie sind es, die den ganzen Menschen, den Sinnli
chen, Erkenntnis und Willen gleich gewaltig in Anspruch
nehmen. Und dieser unversiegbare Born der mächtigsten
Kräfte und Gefühle sollte unbeachtet bleiben? […] Das ist
die Anwendung der Kunst auf Vaterländische Gegenstände:
[…] die Historie und den Chor redender und bildender
Künste […] in einen Bund zu vereinen und durch diesen
[…]dem
Vaterlande, dem Gesetz, aus biedern Bürgern ebenso
viele begeisterte Parteigänger […] zu
machen.“604Hormayr
wollte für bildende Künstler und Dichter Stoffe
aus der vaterländischen Geschichte liefern, um die
Geschichte
„aus dem Gedächtnisse in Herz zu verpflanzen, aus den
Gelehrtenstuben in die Gemüther der Frauen, der Jugend und
des
Volkes“605;denn
nur indem man dem Volk seine Geschichte bewusst
machte, konnte es für die Interessen eines
Nationalstaa-tes
herangebildet werden, so war er überzeugt:
„Die Vaterlandsgeschichte ist die trefflichste Schutzwaffe der
Dynastie, aber auch die mächtigste Trutzwaffe gegen fremde
Übermacht und fremden Übermut. Der Komet der französi
schen Revolution verwirrte alle Bahnen, und die Geschichte,
das Wissen um die eigene Geschichte versichert die Men
schen wieder ihrer Herkunft und wirkt zugleich als fruchtba
res Saatfeld der Taten und Opfer für die
Zukunft.“606Der
Beginn der Ära Metternich bedeutete die
Entfer-nung
Hormayrs aus der Staatskanzlei aufgrund seines
Einsatzes im Tiroler Aufstand von 1809 und eine
zuneh-mende
Zensur alles nationalen und damit auch
deutsch-nationalen
Gedankenguts. Der neue Staat, bestehend
aus zahlreichen Völkern und ohne Verankerung im alten
deutschen Reichsverband, konnte sich keine nationalen
Gesinnungen leisten. Metternich, der auch Kurator der
Akademie der bildenden Künste war, wollte Kunst vor
allem als Propaganda für die Vorstellung eines
über-geordneten,
Völker verbindenden Hauses Habsburg
einsetzen, um jeden separatistischen Nationalismus
zu verhindern und die Erhaltung des Vielvölkerstaates
zu sichern. Die öster reichische Geschichtsmalerei sollte
sich in der Folge hauptsächlich mit der übernationalen
Rolle des Herrscherhauses beschäftigen, und die
Naza-rener,
die zunächst in Österreich ein Bollwerk gegen das
verhasste napoleonische Frankreich gesehen und Histo- 603 Joseph Freiherr von Hormayr, Brief an Caroline Pichler vom
28. Dezember
1814.604
Hormayr (1810 – 1830), 8. Jg. (1817) p.
237.605
Hormayr (1830)
Einleitung.606
Ebd.
Einleitung.607
Hevesi (1903) p.
48.608
Der Brandhof wurde 1818 von Erzherzog Johann gekauft und
nach den Plänen Ludwig Schnorr von Carolsfelds von zahlreichen
Künstlern gestaltet.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306