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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Page - 177 -
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177 rienmalerei vor allem als deutsch-national verstanden hatten, kehrten Wien enttäuscht den Rücken. Große Aufträge für Historienbilder waren in der dar-auf folgenden Zeit selten und hatten, anders als in Deutschland, keine öffentliche Plattform. Hevesi schrieb rückblickend: „Viel wurde einstweilen aus alledem [der Historienmalerei, Anm.] nicht. Im Publikum war der Anteil gering, Käufer und Besteller blieben aus, und nur jedes dritte Jahr gab es eine Kunstausstellung. So zogen sich die Historiker aus großen Träumen in kleine Rahmen zurück und malten höchstens militärische Genrebilder.“607 Auftraggeber waren zunächst weiterhin Mitglieder des Hofes oder des Hochadels. Bei großen Projekten wie der Ausschmückung der Franzensburg (Laxenburg, Nieder-österreich), der Burg Thernberg (Bucklige Welt, Nieder-österreich) oder dem Brandhof608 (Gemeinde Gusswerk, Steiermark), die eher Rückzugsgebiete der Herrscher dar-stellten und keinen öffentlichen Charakter hatten, han-delte es sich bezeichnenderweise vorwiegend um Öl- oder Glasgemälde, was dem privaten Charakter der Aufträge eher entsprach als Fresken. Immer wieder wur-den Rufe nach großen Aufgaben für die bildenden Künst-ler laut, aber es mangelte nicht nur an Geld – die Kriege gegen Napoleon hatten den Staatshaushalt und die Finanzen der Adeligen stark belastet –, es fehlte auch an einer übernationalen Identifikationsfigur und an histo-rischen Stoffen, die für alle Länder der Monarchie glei-chermaßen identitätsstiftend wirken konnten. Im Allge-meinen beschränkte man sich daher auf die Geschichte des Herrscherhauses – Darstellungen früherer Regenten oder auch Szenen aus deren großer Vergangenheit wie Rudolf von Habsburg und der Priester, sein Sieg über König Ottokar II. Prˇemysl bei der Schlacht auf dem Mar-chfeld oder die Hochzeit Maximilians I. mit Maria von Burgund. Die Stoffe hatten allesamt wenig Bezug zur Gegenwart und waren kaum dazu geeignet, im einfachen Bürger patriotische Begeisterung zu entzünden.1811 schließlich sollte es Johann Peter Krafft gelingen, mit seinem Gemälde Erzherzog Carl mit der Fahne des Regimentes Zach in der Schlacht bei Aspern innerhalb der österreichischen Geschichtsmalerei einen neuen Bild- Anton Petter, Carl Ruß, Sigmund Ferdinand Ritter von Perger, Joseph von Führich und Ludwig Schnorr von Carolsfeld zählten und die Hormayrs Vorstellung einer Potenzierung der Wahrheit durch das Schöne603 umzusetzen begannen. „Die Künste sind es, an denen der Zahn der Zeit, wie die Macht der Tyrannen ohnmächtig abgleitet, und spurlos vor­ übergeht, sie sind es, die den ganzen Menschen, den Sinnli­ chen, Erkenntnis und Willen gleich gewaltig in Anspruch nehmen. Und dieser unversiegbare Born der mächtigsten Kräfte und Gefühle sollte unbeachtet bleiben? […] Das ist die Anwendung der Kunst auf Vaterländische Gegenstände: […] die Historie und den Chor redender und bildender Künste […] in einen Bund zu vereinen und durch diesen […]dem Vaterlande, dem Gesetz, aus biedern Bürgern ebenso viele begeisterte Parteigänger […] zu machen.“604Hormayr wollte für bildende Künstler und Dichter Stoffe aus der vaterländischen Geschichte liefern, um die Geschichte „aus dem Gedächtnisse in Herz zu verpflanzen, aus den Gelehrtenstuben in die Gemüther der Frauen, der Jugend und des Volkes“605;denn nur indem man dem Volk seine Geschichte bewusst machte, konnte es für die Interessen eines Nationalstaa-tes herangebildet werden, so war er überzeugt: „Die Vaterlandsgeschichte ist die trefflichste Schutzwaffe der Dynastie, aber auch die mächtigste Trutzwaffe gegen fremde Übermacht und fremden Übermut. Der Komet der französi­ schen Revolution verwirrte alle Bahnen, und die Geschichte, das Wissen um die eigene Geschichte versichert die Men­ schen wieder ihrer Herkunft und wirkt zugleich als fruchtba­ res Saatfeld der Taten und Opfer für die Zukunft.“606Der Beginn der Ära Metternich bedeutete die Entfer-nung Hormayrs aus der Staatskanzlei aufgrund seines Einsatzes im Tiroler Aufstand von 1809 und eine zuneh-mende Zensur alles nationalen und damit auch deutsch-nationalen Gedankenguts. Der neue Staat, bestehend aus zahlreichen Völkern und ohne Verankerung im alten deutschen Reichsverband, konnte sich keine nationalen Gesinnungen leisten. Metternich, der auch Kurator der Akademie der bildenden Künste war, wollte Kunst vor allem als Propaganda für die Vorstellung eines über-geordneten, Völker verbindenden Hauses Habsburg einsetzen, um jeden separatistischen Nationalismus zu verhindern und die Erhaltung des Vielvölkerstaates zu sichern. Die öster reichische Geschichtsmalerei sollte sich in der Folge hauptsächlich mit der übernationalen Rolle des Herrscherhauses beschäftigen, und die Naza-rener, die zunächst in Österreich ein Bollwerk gegen das verhasste napoleonische Frankreich gesehen und Histo- 603 Joseph Freiherr von Hormayr, Brief an Caroline Pichler vom 28. Dezember 1814.604 Hormayr (1810 – 1830), 8. Jg. (1817) p. 237.605 Hormayr (1830) Einleitung.606 Ebd. Einleitung.607 Hevesi (1903) p. 48.608 Der Brandhof wurde 1818 von Erzherzog Johann gekauft und nach den Plänen Ludwig Schnorr von Carolsfelds von zahlreichen Künstlern gestaltet.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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