Page - 183 - in Das zusammengedrängte Gedenken
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doch unverstandene Laute […]. Laßt die bedeutendsten und
hervorragendsten Momente seiner Vergangenheit, die
bezeichnenden Phasen seines eigenen Lebens oder aber die
großartigsten Gestalten und Erscheinungen der Weltge
schichte in klaren und ergreifenden Abbildern an dem Blute
des Volkes vorüberziehen; zeigt ihm den ewigen Gang und
Wandel der Geschichte im lebensvollen Glanze langer Reihen
aufgerollter Gemälde, […], laßt es sich versenken in die
Tiefen der Zeiten, oder seines Geschlechtes Ringen und Stre
ben im leuchtenden Spiegelbilde beschauen, so […] seid
gewiß, bald wird ihm auch ein tiefes und gedankenvolles
Verständnisß der Kunst aufgehen […] Der glorreichen Ver
gangenheit der Freskomalerei wird […] noch eine schöne und
herrliche Zukunft folgen, wenn ihr Gelegenheit geboten wird,
ihren reichen Schatz […] zu entfalten und in der allver
ständlichen Sprache der Formen und Farben zur Mit und
Nachwelt zu sprechen. Ein gelungener und hoffnungsreicher
Anfang ist mit Kupelwieser’s Fresken gemacht; laßt sehen,
was uns die Zukunft bringt
[…].“Ein
halbes Jahr später schreibt auch die Österreichische
Illustrierte Zeitung:
„Ein ganz besonderes Verdienst Kupelwiesers ist aber, daß
er hier in Wien die Freskomalerei wieder in Schwung brachte,
welche gänzlich in Verfall gerathen
war.“630Anton
Ritter von Perger631 hebt in seinem begleitenden
Text zu dem Stahlstich von A. Simon nach dem Gemälde
Odoaker vor dem heiligen Severin die Bedeutung von
Kupelwiesers künstlerischem Schaffen vor allem für die
Freskomalerei in Österreich
hervor:„Aber
ein bedeutendes Verdienst erwarb er sich durch die
Hebung der in Wien gänzlich gesunken gewesenen Frescoma
lerei, ja man könnte ihn mit Recht den eigentlichen Wieder
erwecker derselben nennen. […] vor Allem aber sein Gemäl
decyclus in dem k. k. Statthaltereigebäude zu Wien […]
gelten dafür als die triftigsten Belege und sichern diesem
Künstler […] seinen bestimmten Standpunct in der
Geschichte der österreichischen Kunst. […] Graf von
Mannsfeld war der Erste [nach der Türkenbelagerung von
1683, Anm.], der daran ging, sich einen Palast herzustellen.
[…] Von da an begann nun die Baulust der Großen, welche
dann die Säle ihrer Paläste auch auf das reichlichste mit
Frescogemälden ausschmücken ließen. Dies währte bis in die
Zeit der verehrten Maria Theresia. Dann aber änderte sich
der Geschmack; man sah mehr auf Einfachheit, das orna
mentale Eingreifen der Kunst in die Handwerke verschwand,
sich selbst den Maurer abrichten, der den Anwurf herzustel
len hatte, und das Schlemmen des Sandes besorgen.
Kupelwieser’s erster Versuch in dieser Art war ein Brustbild
des hl. Johannes des Täufers ober dem Taufstein der Kirche
in Neustift am Wald, wo damals einer seiner Freunde,
Ambros Rosner, als Pfarrer lebte. Bald danach malte er zwei
Medaillons in der Hauscapelle des Domherrenhofes in Wien
und übernahm es dann, für den Hauptaltar in der neuen
Johanneskirche in der Praterstraße in Wien die Altar
Gemälde herzustellen.“629
„Endlich Fresken in Österreich!“ titeln die Sonntagsblätter
am 5. September 1847, um dann mit einer Kurzmeldung
zu zwei Freskoprojekten fortzufahren – den gerade
ent-stehenden
Wand- und Deckengemälden in der
Nieder-österreichischen
Statthalterei und Fresken in der – nie
ausgeführten – Kunstvereinshalle im Volksgarten. Auch
spätere Rezensenten betonen stets Kupelwiesers
Ver-dienste
um die Freskomalerei in Österreich, so der Beitrag
in der Beilage zum Morgenblatte der Wiener Zeitung vom
22. März 1851. Hier wird dabei weiter ausgegriffen und
die Situation der Freskomalerei in Österreich allgemein
dargestellt. Interessant ist vor allem auch die
unmittel-bare
Verbindung der Freskotechnik mit „großen“ Stoffen
aus der Vergangenheit:
„Wien ist im Allgemeinen so arm an Fresken und unvertraut
mit dieser künstlerischen Darstellungsart, dass wir uns nicht
enthalten können, noch einige Worte zur Freskomalerei über
haupt hinzuzufügen. Das gewöhnliche, weder mit dem tech
nischen Verfahren, noch mit den ästhetischen Verbindungen
der Kunst, viel weniger noch mit ihrer Geschichte vertraute
Publikum hat entweder ganz unklare, oder völlig unrichtige
Begriffe von der Freskomalerei. Ihm erscheint sie in der Regel
schlechthin als Wandmalerei, bestimmt gewisse gegebene
Flächen, oder leere, mit nichts Anderem auszufüllende
Räume mit bunten Farben zu bedecken und so gewisserma
ßen als Surrogat irgend einer anderen beliebigen Ausschmü
ckung zu dienen. Von der spezifischen Bedeutsamkeit dieser
Kunstmethode, ihrem artificiellen Umfange und ihrer inne
ren Wesenheit, ihren Hülfsmitteln und ihrer Wirkungsfähig
keit, haben sie ebenso wenig einen Begriff, als irgend eine
positive Kenntniß von ihrem besonderen Berufe für monu
mentale Darstellungen und ihrer ergebnißreichen, mit Che
mie, der Farben und Lichtlehre im innigsten Zusammen
hange stehenden Entwicklungsgeschichte. Unbekannt ist ihm
daher auch ihre ungemein interessante Rolle in der Geschichte
der Malerei überhaupt. Hat es auch vielleicht zufällig von
den Meisterwerken der Sixtinischen Kapelle oder von den
Loggien Vatikan’s etwas von fernher läuten hören, oder dran
gen einzelne verlorene Klänge von den herrlichen Schöpfun
gen dieses Faches in den Münchner Königsbauten in sein
Ohr; so sind ihm dies, wenn nicht gleichgültige Dinge, so 629 Kupelwieser (1902) p.
13.630
Österreichische Illustrierte Zeitung, Nr. 10, Montag 1. September
1851.
631 Anton Ritter von Perger (1809 – 1876), österreichischer Maler und
Verfasser von (u.a.) Der Dom zu Sanct Stephan in Wien (Triest
1854) und Kunstschätze Wien’s (ebenfalls Triest 1854).
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Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306