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zeugen von einem beachtlichen Geschichtswissen des
Künstlers.
„Kupelwiesers Bildung war äußerst vielseitig. Kein Gebiet
der Wissenschaft war ihm vollkommen fremd, mit besonderer
Vorliebe aber befasste er sich mit Geschichte“639,
schreibt Elisabeth Kupelwieser in ihren Erinnerungen.
Schon vor seiner Reise nach Italien dürfte
Kupel-wieser
den Dichter Matthäus von Collin kennengelernt
haben, der im Salon von Caroline Pichler verkehrte und
Stoffe aus der Geschichte Österreichs in seinen Dramen
bearbeitete. Der Kontakt war zu dieser Zeit
rege.„[…]
nun kam der Vater öfter zu Colin, der redete ihm immer
zu er solle doch sehen nach Rom zu kommen […]“640,
schreibt Johanna Lutz, Kupelwiesers spätere Frau in ihren
Erinnerungen. In einem Brief von 1823 erwähnt
Kupel-wieser
mehrer Besuche bei Collin während seiner Reise
nach Baden641, 1821 malte er auch ein Porträt Collins in
Öl.642 Etwa zur selben Zeit dürfte ein Kontakt zu Joseph
Daniel Böhm entstanden sein, dessen Porträt Kupelwieser
1821 malte.643 Böhm war ursprünglich Medailleur und
Steinschneider, eignete sich aber im Selbststudium
außer-gewöhnliche
Kunst- und Geschichtskenntnisse an und
sammelte einen Kreis junger kunstbegeisterter Leute,
dar-unter
auch Rudolf Eitelberger, um sich, die er
systema-tisch
in die Kunstgeschichte einführte. Seine umfassende
Kunstsammlung sollte später zum Zentrum der Wiener
Altertumsfreunde werden. Böhm war auch unter den
Künstlern, die Erzherzog Johann um sich versammelte und
mit der Ausschmückung des Brandhofes beauftragte.
Zu diesem Kreis hatte auch Leopold Kupelwieser, der
unter anderem dem Kammermaler Ludwig Schnorr von
Carolsfeld freundschaftlich verbunden war, gute
Kon-takte.
Kupelwieser malte insgesamt sieben Porträts des
Erzherzogs, darunter das Bild Erzherzog Johann in Landes
tracht für den Brandhof (1828) und ein lebensgroßes
Porträt, das den Erzherzog in vollem Harnisch zeigt, für
die Franzensburg (1831). Ob es über die Beziehung von
Künstler und Auftraggeber hinaus Kontakte zwischen
Erzherzog Johann und Kupelwieser gab, ist nicht bezeugt.
„Mit den Linzer Ständen unterhandle ich wegen einer Fresko
arbeit, ich hätte zwei Sommer in Linz zu leben, wo ich doch
gar leicht nach Wien könnte. Möge es zustande kommen!“636
Das Projekt wurde durch die Ereignisse der Revolution
1848 verhindert:
„Zum erstenmal bin ich recht traurig, dass der saubere Völ
kerfrühling die Linzer Arbeit verschlungen hat“, schreibt
Schwind am 18. Juni 1848 an Eduard von Steinle.637 Für
das geplante Hauptgemälde, die Belehnung Jasomirgotts
durch Friedrich Barbarossa (1156) mit der Ostmark,
exis-tieren
Skizzenblätter, die sich heute in der Sammlung der
Linzer Landesgalerie befinden. Eine Lithographie der
Komposition wurde 1851 vom neu gegründeten
Ober-österreichischen
Kunstverein als erstes Prämienblatt
her-ausgegeben.638Der
offizielle Auftrag für die Ausführung eines
Fresken-zyklus
im Gebäude der Niederösterreichischen
Statthalte-rei,
einer Mittelinstanz zwischen den Hofbehörden und
den landesfürstlichen Dienststellen, wurde am 12. März
1848 vom damaligen Präsidenten der allgemeinen
Hof-kammer,
Freiherr Kübeck von Kübau erteilt. Zu dieser Zeit
waren in Deutschland die meisten großen historischen
Wandmalereien bereits ausgeführt – die Kaisersäle und
der Nibelungenzyklus in der Münchner Residenz, die
Glyptothek, die Arkadenbilder im Hofgarten und die
Fres-ken
für die Kunsthalle in Karlsruhe, um nur die wichtigsten
zu nennen. Vor allem die Schwierigkeit, nationale Inhalte
in der Geschichtsmalerei vermeiden zu müssen, und das
Fehlen einer integrativen historischen Gründer- oder
Hel-denfigur
verzögerten die Entwicklung der
Geschichts-malerei
im österreichischen Kaiserstaat und erschwerten
einen derartigen Auftrag von offizieller staatlicher Seite.
Unter Berücksichtigung der durch die politische
Situation vorgegebenen Einschränkungen sollte der
Freskenzyklus im Statthaltereigebäude auf die Geschichte
des Kernlandes Niederösterreich in Verbindung mit dem
Gesamtstaat beschränkt werden und folgt damit dem
Kon-zept
der beiden Gemälde, die Johann Peter Krafft 1825 für
das ungarische Nationalmuseum geschaffen hatte. Die
Entwicklung des Bildprogramms wurde Kupelwieser selbst
überlassen, der dafür geschichtliche Ereignisse von der
Zeit Marc Aurels bis in die unmittelbare Vergangenheit in
einem komplizierten, von Symmetrien, Verweisen und
Allegorien bestimmten System anordnete. Seine
Themen-wahl
war in manchen Fällen ungewöhnlich und entsprach
nicht dem Kanon der österreichischen vaterländischen
Malerei, so dass er dabei auf keine ikonographischen
Tra-ditionen
zurückgreifen konnte.
Die geschichtlichen Ereignisse, Herrscherporträts und
Allegorien, die Leopold Kupelwieser zur Darstellung
bestimmte und in eine bezugsreiche Anordnung brachte, 636 Brief Moritz von Schwinds an Eduard von Bauernfeld, Frankfurt,
25. Februar 1847. Zit. nach: Stoessl (1924) p.
211.637
Zit. nach: Stoessl (1924) p.
267.638
Oberösterreichische Heimatblätter, Heft 3/4, 35. Jg., 1985, p.
254.639
Kupelwieser (1902) p.
16.640
Biographische Aufzeichnungen Johanna Kupelwiesers über ihren Gatten
(Fragment), in: Feuchtmüller (1970) p.
210.641
Feuchtmüller (1970) p.
17.642
WV Nr. 149, Wien Museum Inv. Nr. 9700, vgl.: Feuchtmüller
(1970) p. 237. Das Porträt wurde von Joseph Kovatsch gestochen
und in der St. Anna Kunstausstellung 1828 gezeigt. Vgl.:
Feucht-müller
(1970) p.
295.643
Joseph Daniel Böhm, Porträt, Ölbild, WV Nr. 130, vgl.: Feuchtmüller
(1970) p. 233.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306