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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
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200 Wenn Kupelwieser allerdings mehr als nur das geschichtliche Ereignis zu erzählen versuchte – wie etwa in dem Gemälde Die Türkenkriege oder auch Die drei Erbauer der St. Stephanskirche –, wählte er nicht einen konkreten historischen Moment, sondern vereinte eine Abfolge von Ereignissen – die teilweise hunderte Jahre auseinanderlagen – in einem Bild. Dabei verzichtete er zwar auf den Anspruch von Realitätsnähe im Bild, erreichte aber eine allegorische Verdichtung und Stili-sierung von Geschichte, deren Wahrheitsgehalt über konkrete historische Ereignisse hinausgeht.In Zusammenhang mit Kraffts Gemälde Niclas Zriny, dem von der Kritik mangelnde historische Treue vorgeworfen wurde, verteidigte ausgerechnet der Historiker Hormayr die künstlerische Freiheit, in der geschichtliche Wahr-heiten gerade durch historisch falsche oder ahistorische Elemente präziser formuliert werden können als durch richtige, also dokumentierte und beweisbare. „Es ist hier und da die Bemerkung gemacht worden, dieß Gemälde sey nicht geschichtlich und verliere dadurch an sei­ nem Werthe, daß Zriny zu Pferde in den Todeskampf stürzt, da er unsern Nachrichten zufolge, vielmehr zu Fuß, aus Szi­ geths Schutt und Flammen hervorgeschritten sey! – Wie oft man doch einer gänzlichen Verwirrung der Zwecke und der Gränzen des Wissens und der Künste begegnet! Fordert man ja auch von einem Trauerspiel chronologische Evidenz, heral­ dische oder genealogische Ausbeute und rechtet darüber, ob das tragisch Effectvolle auch historisch richtig sey? – Als ob es in einem Kunstwerk darauf ankäme, ob Zriny in einem rothen oder blauen Rock, zu Fuß oder zu Pferde, den letzten Gang gethan! als ob die Mahlerey etwas anderes zu kennen oder zu suchen hätte, als das Mahlerische! als ob auf einem nationalen Bilde nicht die Symbolik der eigen thümlichsten und glücklichsten Waffe fehlte, wenn nicht der Ungar mit seinem pfeilschnellen, unermüdlichen Roß, wie in einem unzertrennlichen Leib zusammengewachsen erscheint?“740Im Gegensatz zur idealistischen Gesamtkonzeption seines Gemäldes Die drei Erbauer der St. Stephanskirche hielt sich Kupelwieser in den Details sehr genau an historisch über-lieferte Tatsachen – so verwendete er als Vorbild für die Gesichtszüge Friedrichs III. das zu dessen Lebenszeit ent-standene Grabmal im Stephansdom, was durch eine Studie in Kupelwiesers Skizzenbuch741 zu belegen ist. (Abb. 277)Der Konzentration auf Quellenstudien in den Geschichts- geber Ludwig I. lehnte die Darstellung der alten Legende, in der zwei Engel die brennende Kirche beschützen, ab; sie sei nicht historisch und deshalb zu vermeiden. Schnorr ent-gegnete, ohne die Engel könne nicht anschaulich gemacht werden, weshalb und wofür die Parteien kämpfen, „das Schlachtgemälde verliert mit dem poetischen Werte zugleich die Verständlichkeit“.738 Außerdem gehöre zur Geschichte, „[…] was zu irgendeiner Zeit im Bewusstsein eines Volkes Wahrheit gewesen, wenn wir auch für uns es nicht als ausge­ machte Tatsache ansehen können.“739 In demselben Spannungsfeld bewegte sich Leopold Kupelwieser: Wenn er Szenen, die nach dem wissen-schaftlichen Stand seiner Zeit als Legenden und nicht als geschichtliche Wahrheit verstanden wurden, zwar als mögliche und darstellungswerte Inhalte überlegte, aber letztlich doch nicht umsetzte, bekannte er sich zu einem der historischen Disziplin seiner Zeit entsprechenden Geschichtsverständnis. Deutlich wird diese Auffassung in der Darstellung des Wendepunkts der Schlacht von Aspern, einer historischen Momentaufnahme, die alle Kriterien des modernen Ereignisbildes erfüllt. Abb. 277: Das Grabmal Friedrich III. im Stephansdom; Bleistiftzeichnung, 6. Skizzenbuch 1847; Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/516. 738 Dresden SLUB, mscr. Dresd. n 45, I, S. 10, zit. nach: Fastert (1999) p. 217f.739 Ebd.740 Hormayr (1810 – 1830) Nr. 16 (1825) p. 160f.741 Niederösterreichisches Landesmuseum: Leopold Kupelwieser, 6. Skizzenbuch, 1847, Inv. Nr. 7000/516
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Das zusammengedrängte Gedenken
Author
Sigrid Eyb-Green
Publisher
Bibliothek der Provinz
Location
Weitra
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Size
24.0 x 27.0 cm
Pages
312
Keywords
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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