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218 mischen, so versuchen Sie es nur, Sie werden aber erstaunt
sein, was da herauskommt, wenn die Malerei trocken ist.“
Engerth unternahm das Wagnis, aber das Erstaunen war auf
Seiten Kupelwiesers, denn der Versuch war glänzend gelun
gen, und die von Engerth gemalte Gestalt übertraf koloris
tisch die übrigen in herkömmlicher Weise kolorierten, und
Kupelwieser ließ Engerth auch volle Gerechtigkeit wider
fahren.“826
Zum Anmischen der fertigen Töne für Lokalton, Licht-
und Schattenpartien wird im Buch von der Frescomalerei
die Verwendung einer Vorrichtung empfohlen, die aus
fünf mit Ölfarbe angestrichenen Holzscheiben mit
kreis-förmigen
Vertiefungen besteht, wobei die Scheiben
jeweils durch ein Loch in der Mitte übereinander auf
einen Stock gesteckt werden:
„[…] zum Gebrauche werden die Scheiben auseinander gelegt
und in jede der eigenthümliche Ton gebracht. […] So hat man
an einer Scheibe alle Fleischtöne des Lichts, auf einer andern
Scheibe hingegen die Fleischtöne des Schattens.“827
Zeitlich parallel zu den Fresko-Arbeiten dürften auch die
geschnitzten und vergoldeten Rahmen gefertigt worden
sein. (Abb.
293)Kupelwieser bittet in seinem Brief vom 16. Jänner,
dass die Maurer- und Marmorierarbeiten sowie die
Her-stellung
der Rahmen, die während der Ausführung der
Fresko-Malereien zu erledigen waren, so koordiniert
wer-den,
dass der Künstler in seinem Schaffen nicht gestört
werde. Außerdem sicherte sich Kupelwieser das Recht,
die Rahmen, wenn notwendig, im Nachhinein noch „sei
nen Bedürfnissen“ anpassen zu lassen, „um die Bildwirkung
zu steigern“.
Durch die Zuspitzung der politischen Lage war
Kupel-wieser
gezwungen, am 6. Oktober 1848 seine Arbeit im
Marmorsaal zu unterbrechen und konnte vermutlich erst
wieder mit Beginn des Jahres 1849 damit fortsetzen.
Wahrscheinlich entstanden in diesen Monaten einige
Kartons.Im
Deutschen Kunstblatt vom 4. März 1850 wird
berichtet, dass das Wandgemälde zum Wiener Kongress
als letztes Fresko zu diesem Zeitpunkt noch nicht
vollen-det
war.828
Zeichnung orientieren zu können. An einigen Kartons
finden sich deutliche Spuren einer solchen Verwendung
auf der Baustelle, wie Farbspritzer oder helle Flecken im
Papier, die möglicherweise durch das Kalkwasser
entstan-den
sind, das beim Zubereiten der Farben auf den Karton
tropfte.824 Weiters verlangte Kupelwieser wie erwähnt in
seinem Brief vom 16. Jänner 1848, dass ihm ein
versperrba-res
Zimmer neben dem Marmorsaal zur Verfügung ge
stellt
werde, um darin seine Kartons aufbewahren zu können.825
Zur Malweise von Kupelwieser und Engerth finden sich
einige Hinweise in den Erinnerungen von Engerths
Schüler Karl Karger, die auf einer Erzählung Engerths
beruhen:
„Als er noch Schüler Kupelwiesers war, der zu jener Zeit einen
Namen als Freskant genoss, wurde Engerth bei seines Lehrers
Arbeiten zugezogen und erwies sich dieser Aufgabe nicht
allein gewachsen, sondern übertraf denselben bald in der
Malerei der von ihm ausgeführten Wandgemäldepartien.
Kupelwieser ging systematisch vor und mischte rezeptmäßig
und den Erfahrungen nach, wie die Farben auftrocknen,
seine Töne, so dass er für den Lokalton, für das Licht, die
Halbschatten und die Schatten auf der Palette schon die
Töne fertig mischte und sozusagen die betreffenden Partien
mit diesen schematisch ausfüllte und durch Ineinandermalen
an den Tongrenzen weich vermittelte. War dies z.B. eine
nackte Gestalt, so konnte man vom Scheitel bis zur Ferse die
ganze Figur in gleicher Weise koloriert finden, während die
Natur eine große Variation von Abstufungen aufweist.
Engerth war sich wohl bewusst, daß die monumentale Male
rei in dieser Hinsicht eine Vereinfachung erheischt, mit einer
so weitgehenden konnte er sich aber nicht einverstanden
erklären, und er gestand dies auch offen seinem Lehrer.
Kupelwieser sagte darauf: „Ja, wenn Sie glauben, dass Sie
etwas herausbringen, wenn Sie die Töne jeweils richtig
Abb. 294: Transparentpapiere zur Übertragung einer Komposition
auf den Bildträger, Leopold Kupelwieser; Nö. Landesmuseum.
824 Zum Anreiben der Farben mit Kalkwasser vgl. etwa: Das Buch von
der Frescomalerei (1846) p. 90: „Eine noch grössere Dauer kann man
Frescobildern überhaupt verleihen, wenn man sie anstatt in purem
Wasser, in durchgeseihtem Kalkwasser
reibt.“825
Niederösterreichisches Landesarchiv, Reg. A, Präs. d. NÖ. Reg.,
Zl. 571 P 848 vom 16. Jänner 1848, gez.
Kupelwieser.826
Karger (1994) p. 23.
827 Das Buch von der Frescomalerei (ohne Autor, 1846) p.
86f.828
Deutsches Kunstblatt (red. von F. Eggers) Nr. 9 vom 4. März 1850,
p. 71.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306