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266 den kann, wird nun an die nasse Mauer angenagelt, und die
Contouren werden mit einem scharfen Griffel nachgezogen,
welcher durch das Papier hindurch einen ausgezackten
Umriß auf dem weißen Mörtel macht. Bei dieser Operation
geht die Arbeitsskizze zugrunde.“953
Moritz von Schwind erwähnt in einem seiner Briefe
eben-falls
eine Pause, die er verwendet, um Umrisse an die
Wand zu
übertragen:„[…]
und daher hab ich ein Stück von dem Karton, der
Umrisse und Schattierungen angibt hier in Bereitschaft und
trag’ die Zeichnung nun mittelst einer Bause auf den Kalk
über, indem ich da mit dem spitzigen Instrument über die
Konturen
hinfahre.“954Obwohl
es nur wenige solcher expliziten Aussagen über die
Verwendung von Ersatzkartons gibt, kann davon
ausgegan-gen
werden, dass diese Vorgehensweise in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts allgemein üblich war, da an keinen der
untersuchten Kartons von Overbeck, Cornelius, Schwind,
Führich oder Julius und Ludwig Schnorr von Carolsfeld
Arbeitsspuren einer Übertragung wie eingeritzte Linien
oder Perforierungen festgestellt werden konnten.
Die erwähnten Künstler verwendeten ihre Kartons zwar
nicht direkt zur Übertragung der Komposition an die
Wand, allerdings dürften viele von ihnen ihre Kartons bei
der Ausführung der Fresken als Referenz für Details,
Ver-teilung
von Licht und Schatten sowie plastische
Model-lierung
verwendet haben.
Kupelwiesers Statthalterei-Kartons weisen eindeutige
Spu-ren
eines solchen Gebrauchs wie etwa zahlreiche
Farb-spritzer
und gebleichte Flecken auf, die entstanden, als die
Kartons bei der Ausführung der Fresken in unmittelbarer
Nähe des Künstlers ausgebreitet lagen und Farben bzw.
Kalkmilch, die wahrscheinlich zum Anteigen der Pigmente
verwendet wurde, auf das Papier tropften. Auch aus
Kupel-wiesers
Arbeitsvertrag geht hervor, dass in der Statthalterei
ein eigener Raum zur Aufbewahrung seiner Kartons zur
Verfügung gestellt werden musste. Moritz von Schwind
erwähnt in seinem Brief, dass er den originalen Karton
beim Malen des Freskos neben sich liegen habe955, und
Cornelius’ Kartons für die Glyptothek in München weisen
Farbspritzer ähnlich denen auf Kupelwiesers Karton auf.956
Alle hier beschriebenen Methoden bewirken eine
Zerstö-rung
des Kartons oder hinterlassen zumindest deutliche
Arbeitsspuren, die den Gesamteindruck der Zeichnung
stark verändern. Es ist daher nicht verwunderlich, dass
die Künstler des Nazarener-Kreises, die großen Wert auf
den Karton legten und viel Zeit auf eine detailreiche,
genau durchmodellierte und präzise Zeichnung
verwen-deten,
ihre Kartons für die Übertragung der Komposition
an die Wand nur ungern opferten.
Von dem frühen Gemeinschaftsprojekt der
Nazarener-Künstler,
der freskalen Ausgestaltung der Villa Massimo
in Rom, hat sich der Venus Sonne
Karton von Phillipp Veit
erhalten, an dem deutliche Spuren der Übertragung an
die Wand zu sehen sind: Durch das Nachritzen der
Lini-enzüge
mit einem scharfen Instrument wurde der Karton
stark beschädigt.950
Um solche Schäden an den Kartons im Arbeitsprozess zu
vermeiden, ging man dazu über, die Umrisse des Kartons
auf ein zweites, transparentes Papier mit denselben Maßen
wie der Karton durchzupausen und diese als Hilfskarton951
bezeichnete Pause zur Übertragung an die Wand zu
ver-wenden.
Es gibt kaum schriftliche Quellen, in denen der
Gebrauch eines solchen Hilfskartons beschrieben wird,
und die Pausen selbst sind in den seltensten Fällen
erhal-ten.
Wolzogen erwähnt in seiner Cornelius-Biographie
die Fresken für den Palazzo du Zuccheri in Rom, die
Cor-nelius
1816 ausführte. Einen der Kartons für diese Arbeit
mit dem Titel Wiedererkennung besaß die Berliner
Kunst-Akademie.
Wolzogen schreibt dazu:
„Der Kunsthändler Böhmer zu Leipzig hat noch eine 13 1/2
Zoll hohe und 16 3/4 Zoll breite Umrisszeichnung in Bleistift
von der Wiedererkennung, welche der Meister später als den
Carton gemacht und als Hülfszeichnung bei der Anfertigung
eines Oelgemäldes von gleicher Größe benutzt hat
[…].“952Die
Tatsache, dass der originale Karton für das Fresko
nicht zerstört worden war, sondern sich in der Sammlung
der Berliner Akademie befand, deutet darauf hin, dass
Cornelius eine solche Hilfszeichnung auch schon zur
Übertragung an die Wand verwendet hatte.
In dem 1867 in der Edinburgh Review publizierten
Artikel wird die von Cornelius gelehrte Methode zur
Her-stellung
und Verwendung eines Hilfskartons beschrieben:
„Ist solchergestalt eine ausführliche Zeichnung in voller
Größe fertig, so werden die Contouren derselben auf ölge
tränktes Papier durchgezogen; ist dagegen die vollendete
Zeichnung etwa nur halb so groß, so wird sie durch Quadrate
erst zu ihrer vollen Dimension vergrößert. Das Papier, worauf
copiert wird, muß mäßig dünn sein und wird die Arbeits
skizze genannt. So viel davon auf einmal fertig gemalt wer 950 Gerstenberg; Rave (1934) p.
64.951
Koller (1990) p.
351.952
Wolzogen (1867) p.
28.953
Ebd. p.
118.954
Müller (o. J.) p.
191f.955
Ebd.956
Technologische Angaben zu den Kartons von Cornelius: nicht
publizierter Vortrag von Silke Schröder beim Symposium Corne
lius – Prometheus – der Vordenker am 10. September 2004 im
Münchner Haus der Kunst.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Author
- Sigrid Eyb-Green
- Publisher
- Bibliothek der Provinz
- Location
- Weitra
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Size
- 24.0 x 27.0 cm
- Pages
- 312
- Keywords
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306