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Einführung
Das Konzept der Nationalliteraturen, wie es das 19. Jahrhundert auf der Grund-
lage des romantischen Gedankengutes und im Zeichen der politischen Weltsicht
nach den napoleonischen Kriegen hervorgebracht hat, postuliert eine ideale Kon-
gruenz von Staat, Sprache und Kultur, welche innerhalb eines einheitlichen Terri-
toriums die kollektive Identität der zugehörigen Bewohner sichern soll. Die aus dem
humanistischen Bildungsbegriff entsprossene Idee der Weltliteratur als universale
Republik der Intellektuellen wird damit abgelöst und durch eine genetisch bedingte,
mystifizierte Identifikation der gemeinsamen Herkunft ersetzt, welche die Zuge-
hörigkeit nicht mehr am erworbenen Bewusstsein einer gemeinsamen kulturellen
Tradition, sondern an den gemeinsamen ererbten Wurzeln einer Gruppe oder einer
Region misst. Kultur verliert damit ihren ursprünglichen Wert als schöpferische Ab-
grenzung gegenüber der Barbarei und als Kommunikationsbasis einer nach immer
höherer Zivilisation strebenden Elite, um zu einem ideologischen Instrument der
Führung dieser Elite innerhalb einer politisch definierten Gruppe zu werden.
Die Bestrebung nach einer nationalen Identifikation über die spezifisch eigene
Kultur manifestiert sich besonders deutlich in der italienischen Einigungsbewegung
des Risorgimento, das – mangels einer gemeinsamen staatlichen Identität – in den
zahlreichen Territorien ein kollektives Bewusstsein einer einheitlichen Sprache und
Kultur setzen möchte. Propagiert von meist aus dem Exil agierenden Intellektu-
ellen und getragen vom gebildeten Bürgertum der Städte, steht dieses politische
Streben nach einem Nationalbewusstsein am Beginn des künftigen Einheitsstaates
und einer alle Territorien der Halbinsel umfassenden Sprache und Kultur. Die aus
den politischen Konflikten resultierende Abgrenzung nach außen und gleichzeitige
Vereinheitlichung nach innen schließen jeden Kompromiss bezüglich sprachlicher
und kultureller Überschneidungen mit anderen Nationen aus, sodass die noch in
den Darstellungen von Crescimbeni,1 Quadrio2 oder Tiraboschi3 erwähnte italieni-
sche Literatur in Wien verleugnet werden muss. Sowohl abweichende Minderheiten
1 Giovan Mario Crescimbeni: Commentarii intorno alla sua Istoria della Volgar Lingua. Bd. III. Rom
1702.
2 Francesco Saverio Quadrio: Della Storia e della Ragione d’ogni Poesia. 4 Bde. Bologna 1739.
3 Girolamo Tiraboschi: Storia della letteratura italiana. Bde. 27–29. Mailand 1782.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549