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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock208
Pregare, Offerire, Promettere, Presentare, Ringratiare, Scusare, Lamentare, Responsiva à
chi hà ringratiato), wofür immer 5–10 kurze Briefe als Modell vorgelegt werden.
Im eigentlichen Zentrum der Aufmerksamkeit dieser Schriften stehen jedoch
die strengen protokollarischen Verhaltensregeln, welchen sich der Hofmann un-
terwirft, um das Risiko der allgemeinen Lächerlichkeit und des damit verbunde-
nen Verlustes seiner Ehre zu vermeiden. Neben anderen Formen des öffentlichen
Auftrittes wie Konversation oder Tanz ist die Reitkunst ein zentrales Anliegen des
perfekten Kavaliers, wie ihn Giovanni Battista Galiberti mit Hilfe seines 1650 in
Wien gedruckten Il cavallo da maneggio. Libro dove si tratta della nobilissima virtù del
cavalcare […] Con tre tavole ausbilden möchte. Die in Streitschriften dieser Zeit
heftig diskutierten Verhaltensregeln stellen offensichtlich ein derartiges Anliegen
der höfischen Gesellschaft dar, dass selbst eine vom Erzfeind des österreichischen
Kaiserhauses, König Ludwig XIV. von Frankreich, erlassene Verordnung gegen die
Praxis des Duellierens in italienischer Übersetzung 1666 in Wien gedruckt wird
(Editto contro gli duelli, e rincontri).
V.1 Die Bedeutung der Historiographie
Seit dem Entwurf der humanistischen Grundideen durch Francesco Petrarca
kommt der Geschichtsschreibung eine zentrale Bedeutung in der neuen Auffassung
von Bildung und Herrschaft zu. Wenn man die Geschichte in der Tradition der rö-
mischen Historiographie als die wahre magistra vitae begreift, dann muss sie eine
entscheidende Rolle in der Erziehung der künftigen Führungsschichten spielen und
dem Herrscher, der ja keine ihm gleichgestellte Person als Ratgeber zur Verfügung
hat, mit ihren Vorbildern als Leitlinie seiner Entscheidungen dienen. Damit wird
die Darstellung der geschichtlichen Ereignisse zu einem der wichtigsten Propagan-
dainstrumente sowohl für die Gegenwart, weil die historische Perpektive als mo-
numentale Basis der aktuellen Politik einer Führungspersönlichkeit herangezogen
werden kann, als auch für die Zukunft, in welcher heranwachsende Generationen
aus den als vorbildlich dargestellten Taten der Vergangenheit ihre Schlüsse ziehen
und im Idealfall diese auf ihre Lage anwenden können. Auch auf diesem Gebiet lie-
fern die italienischen Stadtstaaten der frühen Renaissance die literarischen Modelle,
wenn man an Leonardo Brunis Historiarum Florentini populi libri XII (1415–44) und
Niccolò Machiavellis Istorie fiorentine (1532) denkt, worin der Ursprung von Flo-
renz von der Antike bis in die Gegenwart analysiert wird. Welche Bedeutung die
europäischen Höfe des 17. Jahrhunderts der offiziellen Historiographie beimessen,
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549