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Silvio Piccolomini in Wien
rige Niemandsland vom böhmischen Frühhumanismus zu den traditionell für den
deutschsprachigen Humanismus genannten Beginndaten am Ende dieses Jahrhun-
derts. Auch wenn, wie Knape mit Recht eingesteht, fraglich bleiben muss, ob dieser
unbekannte erste Übersetzer Petrarca bereits als Humanisten wahrgenommen hat,
so sind damit doch erste literarische Beziehungen zwischen dem italienischen Hu-
manismus und dem österreichischen Raum belegt.
Petrarca wird im 15. Jahrhundert als Moralphilosoph ohne Zweifel zu den ge-
schätzten Autoren des österreichischen Klosterhumanismus zählen, was sich auch an
der frühesten deutschen Übersetzung eines seiner Briefe (Seniles XI.11 Vitam quam
degimus, in Codex Mellicensis 1794) durch Wolfgang von Steyr (1402– 91), einem
wichtigen Vertreter der Melker Reformbewegung, manifestiert.24 Wolfgang von
Steyr kopiert in einer verwandten Handschrift (Codex Mellicensis 1916) auch einen
Auszug aus Petrarcas De viris illustribus, einem Katalog berühmter Männer von Ro-
mulus bis König Robert von Neapel, einen Zusatz von Petrarcas Freund Lombardo
Della Seta zu diesem Werk, sowie Passagen aus Giovanni Boccaccios De claris mu-
lieribus, einer im Spätmittelalter weit verbreiteten Sammlung von 104 Biographien
berühmter Frauen.
I.2 Enea Silvio Piccolomini in Wien
Der erste nachweislich in Österreich lebende und schreibende Vertreter der italie-
nischen Literatur ist ohne Zweifel Enea Silvio Piccolomini (1405– 64, ab 1458 Papst
Pius II.), der erstmals 1438 kurz nach Wien kommt und dann von Herbst 1442 bis
Mai 1455 am kaiserlichen Hof vorwiegend in Wiener Neustadt, Graz und Wien
lebt, wobei er in den Jahren 1442–47 in der Kanzlei von Friedrich III. tätig ist.25 In
24 Text bei Joachim Knape: Petrarcas Brief über die Definition des Lebens (Sen. XI,11) in einer Melker
Übersetzung des 15. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 122.3
(1993), S. 312–327; zum Klosterhumanismus vgl. Richard Newald: Probleme und Gestalten des deut-
schen Humanismus. Berlin 1963, S. 67–112.
25 Franz Josef Worstbrock: Piccolomini. In: Kurt Ruh u.a. (Hg.): Die deutsche Literatur des Mittelal-
ters. Verfasserlexikon. Band 7. Berlin / New York 21989, Sp. 634–669. – Paul Weinig: Aeneam suscipite,
Pium recipite. Aeneas Silvius Piccolomini. Studien zur Rezeption eines humanistischen Schriftstellers im
Deutschland des 15. Jahrhunderts. Wiesbaden 1998. – Benedikt Konrad Vollmann: Der Literat Enea
Silvio Piccolomini. In: Franz Fuchs (Hg.): Enea Silvio Piccolomini nördlich der Alpen. (Pirckheimer
Jahrbuch 22) Wiesbaden 2007, S. 9 –19. – Martin Wagendorfer: Eneas Silvius Piccolomini und die
Wiener Universität – Ein Beitrag zum Frühhumanismus in Österreich. In: Fuchs (Hg.): Enea Silvio
Piccolomini nördlich der Alpen, S. 21–52. – Julia Knödler: Überlegungen zur Entstehung der ‚Historia
Austrialis‘. In: Fuchs (Hg.): Enea Silvio Piccolomini nördlich der Alpen, S. 53–76.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549