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II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung
in Österreich
Auf der Basis des humanistischen Prinzips der imitatio der klassischen Autoren und
der aemulatio in den neulateinischen Dichtungen begründet Pietro Bembo (1470–
1547) mit seinem Brief De imitatione 1512 und vor allem mit seinen Prose della volgar
lingua 1525 in Italien die literarische Bewegung des Petrarkismus.146 Kaum ein zwei-
tes Werk dürfte die theoretische Diskussion über die italienische Literatursprache so
stark beeinflusst haben wie Bembos Abhandlung: das erste der drei Bücher der Prose
della volgar lingua befasst sich mit den Fragen der Notwendigkeit einer standardi-
sierten Schriftsprache und deren Wahl auf Grund von Ursprung und Entwicklung
innerhalb der regionalen Sprachvarianten, das zweite konzentriert sich auf Überle-
gungen zu einem vorbildlichen Stil, während das dritte schließlich eine eingehende
Grammatik der gewählten, erstrebenswerten Ausdrucksweise enthält.
Aus einer detailreichen Analyse vor allem von Petrarcas Canzoniere, der in Einzel-
ausgaben dieser Zeit erstmals so bezeichnet wird,147 errichtet Bembo ein grammatika-
lisches und stilistisches Regelgebäude für die lyrische Expressivität in Versen, das sich
in Italien rasch als so verbindlich durchsetzt, dass selbst Ludovico Ariosto die letzte
Fassung seines Orlando furioso 1532 nach diesen Vorschriften überarbeitet. Aus der
konsequenten Abwandlung der dichterischen Rezepte Petrarcas entwickelt sich eine
ganz Europa erfassende Schule, für die Bembo in seinen Rime 1530 das praktische
Modell vorlegt. In immer raffinierteren Formen der literarischen Intertextualität und
der damit verbundenen sozialen Kommunikation (z.B. in den venezianischen Salons
oder in den Renaissancehöfen des Adels) bieten sich faszinierende Möglichkeiten für
Amateure, an einer nicht auf Originalität, sondern auf geistreiche Variation des Be-
kannten abzielenden Literaturproduktion teilzunehmen. Der ungeheure Erfolg des
auf Bembos Regeln beruhenden Petrarkismus besteht in einer Dialektik zwischen der
146 Erika Kanduth: Der Petrarkismus in der Lyrik des deutschen Frühbarock. Vorbereitung, Entwicklung,
Auswirkungen. Diss. Wien 1953. – Luzius Keller (Hg.): Übersetzung und Nachahmung im europäischen
Petrarkismus. Studien und Texte. Stuttgart 1974. – Emanuela Hager: Übersetzungen und Nachdich-
tungen von Sonetten Petrarcas in der europäischen Lyrik des 16. Jahrhunderts. Wien 1974. – Klaus W.
Hempfer / Gerhard Regn / Sunit Scheffel (Hg.): Petrarkismus-Bibliographie 1972–2000. Stuttgart 2005.
147 Bis dahin findet sich nur die in Gesamtausgaben übliche Bezeichnung Rerum Vulgarium Fragmenta bzw.
der Sammeltitel Cose volgari di Messer Francesco Petrarca für die volkssprachlichen Dichtungen.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549