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Der italienische Humanismus in
Österreich28
Frage stellt, Widerstand.8 Ohne Zweifel aber steht dieses gegenüber Italien mit dem
Abstand von ca. einem Jahrhundert erwachende Interesse an der neuen Bildungsbe-
wegung, die eine Rhetorisierung aller Wissensbereiche anstrebt, unter dem unbe-
strittenen Einfluss ihrer italienischen Vertreter, allen voran ihrem Begründer.
I.1 Francesco Petrarca in Prag
Francesco Petrarca (1304–74), der Vater des Humanismus, bringt als erster die ita-
lienische Literatur nach Österreich, von dem er auch mindestens ein Mal Teile der
späteren Kerngebiete (Tirol, Salzburg und Oberösterreich) auf einer Reise durch-
quert.9 Seine persönlichen Kontakte zum kaiserlichen Hof in Prag beschleunigen
die Rezeption seiner philosophischen und historischen Werke in lateinischer Spra-
che ( De viris illustribus; De remediis utriusque fortunae) und geben den Anlass zu einem
bedeutenden Text über einen im so genannten Privilegium maius erhobenen, politi-
schen Anspruch des Herzogtums Österreich.
An einem nicht näher bestimmten Tag des Herbstes 1345 bricht Petrarca von
Verona auf, um in die Provence zu reisen und in Avignon Klemens VI. (Pierre Roger
de Beaufort, 1291–1352, ab 1342 Papst) zur Rückkehr nach Italien aufzufordern.
Wegen persönlicher Zerwürfnisse mit den Herrschern der Lombardei möchte er
offenbar dieses Gebiet meiden und wählt daher einen Umweg, dessen erste Hälfte er
in seinem Bericht beschreibt: er führt über das Westufer des Gardasees nach Trient,
dann die Etsch aufwärts bis nach Meran und schließlich zum Reschenpass. Vermut-
lich überquert er dort die Alpen und reist dann über Basel nach Südfrankreich, wo-
bei allerdings die Route über Müstair und das Engadin nicht ausgeschlossen werden
kann. Dieser erste Aufenthalt Petrarcas in einem österreichischen Land, der Graf-
schaft Tirol, bleibt daher in seinen Details offen.
8 Vgl. Karl Grossmann: Die Frühzeit des Humanismus in Wien bis zu Celtis Berufung 1497. In: Jahrbuch
für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 22 (1929), S. 150–325. – Philipp Krejs: Aeneas Silvius Pic-
colomini am Hofe Friedrichs III. und die Anfänge des österreichischen Humanismus. Diss. Wien 1937.
– Helmuth Grössing: Die Wiener Universität im Zeitalter des Humanismus von der Mitte des 15. bis zur
Mitte des 16. Jahrhunderts. In: Günther Hamann / Kurt Mühlberger / Franz Skacel (Hg.): Das alte Univer-
sitätsviertel in Wien 1385–1985. Wien 1985, S. 37–45. – Alfred A. Strnad: Die Rezeption der italienischen
Renaissance in den österreichischen Erbländern der Habsburger. In: Georg Kauffmann (Hg.): Die Renais-
sance im Blick der Nationen Europas. Wiesbaden 1991, S. 135–226. – Alfred A. Strnad: Die Rezeption von
Humanismus und Renaissance in Wien. In: Winfried Eberhard / Alfred A. Strnad (Hg.): Humanismus und
Renaissance in Ostmitteleuropa vor der Reformation. Köln / Weimar / Wien 1996, S. 71–135.
9 Die biographischen Angaben zu Petrarca beruhen auf Ernest Hatch Wilkins: Vita del Petrarca e La for-
mazione del Canzoniere. A cura di Remo Cesarani. Mailand 1964 (Originaltitel: Life of Petrarch. Chicago
1961; The Making of the Canzoniere. Rom 1951) und Ugo Dotti: Vita di Petrarca. Rom / Bari 1987.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549