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Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen
Frühaufklärung114
dieser Pfarre existiert neben der spanischen Bruderschaft Corporis Christi auch eine
„Wällische Bruderschaft“ genannte Bruderschaft der Gnade Gottes, die mit Bewil-
ligung des Wiener Bischofs Franz Ernst von Trautson im Jahr 1691 gegründet und
von Leopold I. bestätigt wird und als deren Mitglied sich Nicolò Minato in seinem
Testament bezeichnet.
Aber schon zu dieser Zeit macht sich im Zuge der Frühaufklärung eine immer
heftigere Kritik an dem barocken Wesen der Bruderschaften bemerkbar. So etwa
kritisiert der italienische Priester und Universalgelehrte Ludovico Antonio Mura-
tori (1672–1750), dessen Ideen am Wiener Hof unter Maria Theresia sehr inten-
siv rezipiert werden, in seinem Ende des 18. Jahrhunderts in zahlreichen deutschen
Ausgaben erschienenen Werk Wahre Andacht des Christen unter anderem auch die
Bruderschaften scharf.226 Die meisten von ihnen werden – ebenso wie die als rein
kontemplativ eingestuften Orden – im Laufe der von Kaiser Joseph II. vorangetrie-
benen Kirchenreform ab 1781–2 aufgehoben und ihr Vermögen einem Schul- und
einem Armenfonds zugeteilt.
III.2 Die kontemplative Literatur für Laien
Unter derartigen Bedingungen – den gesellschaftlichen Veränderungen im Zeichen
der katholischen Gegenreformation im Allgemeinen und der verstärkten Präsenz
italienischer Geistlicher im Besonderen – scheint es nur natürlich, dass die von inter-
essierten Laien rezipierte Literatur religiösen Inhalts nachhaltig von italienischspra-
chigen Vorbildern geprägt ist. Diese spirituellen Schriften finden im italienischen
Original, in ihrer italienischen Übersetzung (wie z.B. zahlreiche spanische Werke)
oder in ihrer deutschen Übersetzung227 eine von der Forschung nur sehr schwer
zu erfassende Verbreitung, da sie der Kategorie der Gebrauchsliteratur zuzuzählen
sind, deren materieller Verschleiß allein schon die Anzahl der überlieferten Exemp-
reich, Bayern und der Schweiz. Festschrift für Gustav Gugitz zum achtzigsten Geburtstag. Wien 1954,
245–273, Tafel XVI–XVII.
226 Winkelbauer: Volkstümliche Reisebüros oder Werkzeuge obrigkeitlicher Disziplinierung, S. 157f. Zu
Muratoris Einfluss auf Österreich vgl. das Kapitel über die katholische Frühaufklärung.
227 Wie facettenreich die religiöse Literatur dieser Zeit sein kann, illustriert das Beispiel des spanischen
Jesuiten Gaspar de Loarte (1498–1578), der vorwiegend in Italien lebt und die meisten seiner Werke auf
Italienisch verfasst. Sein 1557 erstmals veröffentlichtes Werk Essercitio della vita Christiana erscheint nach
zwei vorausgehenden Übersetzungen von 1574 und 1584 in einer weiteren Übersetzung 1653 in Wien
unter dem Titel Arsenale Oder Zeughauß/ Darinnen Waffen vnd Hülffsmittel wider die Versuchungen der
Hauptlastern; Übung der Welschen Sprach; schöne Biblische Figuren/ vnd nutzliche Gebett/ zu Hauß vnd Kirchen
zugebrauchen/ zu finden.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549