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305Musikalische
Feste
Schmelzer reiten in der Choreographie von Carducci wieder Leopold I., Karl IV.
von Lothringen und 22 kaiserliche Kammerherrn.
V.8 Musikalische Feste
Die Gtattung der Feste musicali liegt in ihrer formalen Struktur zwischen den be-
reits behandelten kammermusikalischen Trattenimenti und den eigentlichen Musik-
dramen, weil einerseits der bühnentechnische Aufwand bereits so wichtig scheint,
dass im gedruckten Libretto der Apparato bzw. die Scene (d.h. die Inszenierung bzw.
die Bühnenbilder) beschrieben werden, die Stücke aber noch nicht die Dimension
von 3–5 Akten erreichen und auch nicht auf einer großen Bühne aufgeführt werden.
Meist wird die Festa musicale, deren Einführung in Wien wohl auf Minato zurückzu-
führen sein dürfte,569 zu einem persönlichen Festtag eines Mitglieds der kaiserlichen
Familie in einem natürlichen Rahmen (z.B. einem Garten) dargeboten.
Am 13. August 1674 wird als erstes Beispiel für diese Gattung Minatos Il tri-
onfatore de’ centauri. Festa musicale mit der Musik von Draghi abends vor dem Essen
im Tiergarten von Schönbrunn als Sommerfest für das Kaiserpaar und Erzherzo-
gin Maria Anna (1654–89) aufgeführt. In den 20 von antiker Mythologie und Pas-
toraltradition inspirierten Szenen möchte der brutale Tiseo (Huomo feroce) nach
einer Reihe vergeblicher Versuche, Cirene zu gewinnen, die ihn aus Liebe zu Niso
zurückweist, seine Angebetete schließlich von Zentauren entführen lassen. Ercole
verhindert dies und ermöglicht damit ein glückliches Ende der Liebesverwick-
lungen, die von Scherzen eines affenartigen Dieners (Simo Seluaggio Seruo) und
Tänzen (Centauri, Seluaggi, e Ninfe, che fanno il Ballo) unterbrochen werden. In
der Licenza kündigt Ercole, der ja schon in seiner Wiege die ersten Heldentaten
begangen hat, einen ihn noch übertreffenden Thronfolger an: „Vn Ercole mag-
giore Da Leopoldo, e Claudia, Figlia de la Grand’Anna,570 Ben sì nascer vedrassi
in altra etade; Ch’in fascie, qual fec’Io, Strozzerà, Bambin, serpenti, Poi Centauri
vincerà.“571
569 Zu einer Verlobung vermutlich in der Familie des päpstlichen Nuntius in Wien, Kardinal Giulio Spinola,
erscheint ohne Jahreszahl (vor 1700) bei Giovanni Battista Hacque Il Vaticinio. Festa Musicale nella publi-
catione de i sponsali delli […] Francesco Maria Spinola, e d’Isabella Spinola von Giovanni Battista De Santis.
Dieses wenig umfangreiche Werk für einen privaten Rahmen ist wohl eher eine Nachahmung als ein
erstes Zeugnis der neuen Gattung am Kaiserhof.
570 Diese Bezeichnung scheint äußerst unklar, denn Claudia Felicitas von Tirol ist die Tochter von Isabella
Klara von Tirol (1629–85) und Carlo III. Gonzaga.
571 Worauf sich der Titel des Werkes bezieht, das in der deutschen Übersetzung schlicht Hercules heißt.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549