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34 | Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen
zusehends. Nun erstreckte sich das, was als Schweiz wahrgenommen wurde, über
die 1848 festgelegten Grenzen des Bundesstaates hinaus oder wie es Marc Boyer
ausdrückte : »Die Schweiz der Romantik verfügt über keine klaren Grenzen ; sie
ist mehr Gehalt als Behältnis.«47 So beinhalteten manche der Reiseführer auch
Savoyen und das Aostatal bis hin zu den italienischen Seen. Einer der beliebtes-
ten Reiseführer war John Murrays A Handbook for Travellers, in deren zahlreichen
Bänden er verschiedene Länder behandelte und so beispielsweise 1839 unter an-
derem auch auf die Schweiz und deren Alpen einging. Allgemein enthielten die
romantischen Reiseführer für gewöhnlich Kapitel oder Bände über die Schweiz,
inklusive Gletscher, Rigi und den Rheinfall.48
Die schweizerischen Alpen boten dem urbanen Reisenden eine Art Exotis-
mus, in den Worten Marc Boyers »l’Ailleurs que est aussi l’Autrefois (das An-
derswo, welches zugleich das Andersmal ist)«49. Die geographische Verschiebung
bedeutet gleichsam eine zeitliche – in eine fiktive und romantisch eingefärbte
Vergangenheit friedliebender und einfacher Bergbewohner inmitten unberührter
und scheinbar seit jeher so existierender Natur. Anhand der Reiseführer und Rei-
seliteratur erkannten die Reisenden die sie umgebenden Alpen und Ausblicke,
fühlten, was die Autoren und berühmten Persönlichkeiten wie Rousseau vor ih-
nen gefühlt haben wollen. Auch die Gipfel des Hochgebirges wurden attraktiver,
ihre Erstbesteigung eine faszinierende Herausforderung. In diesem Zusammen-
hang hatte sich auch der Montblanc ab dem 18. Jahrhundert als fester Bestand-
teil der Sehenswürdigkeiten etabliert, genauso wie der Besuch des Genfer Sees
und Genfs und die Weiterreise nach Chamonix und seinem »Mer de Glace«
genannten berühmten Gletscher. Ein möglichst weitschweifender und schöner
Ausblick, ein prächtiges und bereits von Vorgängern akribisch beschriebenes Pa-
norama interessierten die Touristen trotzdem noch um einiges mehr als die nur
selten vorkommende tatsächliche Besteigung hoher Berggipfel.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Liste der alpinen Sehenswürdig-
keiten relativ kurz gehalten, dazu gehörten neben dem Montblanc unter ande-
rem auch der Grindelwald und Zermatt mit Ausblick auf das Matterhorn. Ab
den 1860er Jahren veränderte sich der alpine Tourismus und stand nicht mehr
im Lichte romantischer Reisetätigkeiten.50 Die Hotelindustrie war gut etabliert
47 »La Suisse des Romantiques n’a pas des frontière nettes ; elle est un contenu plus qu’un contenant.«
Ebd., S.
195.
48 Ebd., S. 204, 236.
49 Ebd., S. 198.
50 Ebd., S. 195–200.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC
Die Macht auf dem Gipfel
Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Titel
- Die Macht auf dem Gipfel
- Untertitel
- Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Autor
- Eva Bachmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21122-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Alpen, Tourismus, Berge, Alpinismus, Reisen
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung 7
- 2. Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen : Alpine Reisende 26
- 3. British Royalty – das britische Königshaus 51
- 4. Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus 140
- 5. Vergleich 243
- 6. Fazit 258
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 266
- 8. Abbildungsverzeichnis 285
- 9. Dank 288
- 10. Register 289