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36 | Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen
ausnehmend teure und zeitintensive Sport zog auch weiterhin vorwiegend die
Eliten Europas an, weswegen das Bergklettern von den Zeitgenossen teilweise
als exzentrische Zeitverschwendung angesehen wurde. Das Bergsteigen bedeu-
tete also auch für Männer einen gewissen Bruch gesellschaftlicher Konventionen,
umso mehr jedoch galt dies für die weiblichen mountaineers.58
Von den gesellschaftlichen Zwängen und Rollenidealen der europäischen
Eliten abgesehen, bedeutete auch die Bekleidung für Frauen eine starke Ein-
schränkung : Laut Rebecca A. Brown verunmöglichten nicht nur die schweren
voluminösen Röcke, sondern auch Korsette, welche bis zu 30 Kilogramm Druck
auf die Taille ausübten und so die inneren Organe beschädigen konnten sowie
die Atmung stark erschwerten, jegliche ernsthaft verfolgten bergsteigerischen
Ambitionen. Gegen Ende des 19.
Jahrhunderts begannen deswegen viele Frauen,
die Korsette völlig wegzulassen und ihre Röcke vor dem Aufstieg unter Steinen
oder in Rucksäcken zu verstecken und sich in den daruntergezogenen Pluder-
hosen weiterzubewegen, um sich dann nach erfolgreicher Tour und vor Eintritt
in die »zivilisierte« Welt wieder gesellschaftsfähig herzurichten. Solange keine
Lawinen oder Steinfälle das Wiederauffinden der Kleidungsstücke verunmög-
lichten, handelte es sich hierbei um eine relativ gut funktionierende und deswe-
gen bald auch schon etablierte Methode.59 Unter diesen weiblichen Bergsteigern
befanden sich, ebenso wie bei den Männern, viele Britinnen. Das Bergsteigen
wurde vorwiegend männlich konnotiert und beinhaltete als solches Aspekte,
welche als wenig ladylike empfunden wurden, wie etwa ungebührlicher Kontakt
oder wettbewerbsartige Konkurrenz zu Männern. Die Rolle der Frau während
des Viktorianischen Zeitalters lag neben moralisch einwandfreiem Gebaren in
der Zuschaustellung von »frailty in mind and body«.60 Rebecca A. Brown dazu :
»Particularly for women who did not have to labour on the family farm or toil in
a factory, the proper place was in the home as wife and mother – not crossing a
glacier or scrambling up a cliff.«61 Ebenso wie das Aufkommen der Industriali-
sierung die Stadtflucht in die Natur und in die Alpen als attraktiven Gegensatz
58 Brown, Rebecca A., Women on High. Pioneers of Mountaineering, S.
5 f.
59 Ebd, S. 21, 50. So wurde der Rock der britischen Bergsteigerin und späteren Präsidentin des
Ladies’ Alpine Club Elizabeth LeBlond einmal unter einer Lawine begraben, worauf sie nur in
Pumphosen bekleidet Richtung Dorf schlich und dort ihren Führer losschickte, um ihr aus ihrem
Hotel einen Rock zu bringen, während sie sich hinter einem Baum versteckte. Der Führer kehrte
dann auch tatsächlich zurück, allerdings mit einem Abendkleid.
60 Ebd., S. 6.
61 Ebd., S. 6.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC
Die Macht auf dem Gipfel
Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Titel
- Die Macht auf dem Gipfel
- Untertitel
- Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Autor
- Eva Bachmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21122-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Alpen, Tourismus, Berge, Alpinismus, Reisen
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung 7
- 2. Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen : Alpine Reisende 26
- 3. British Royalty – das britische Königshaus 51
- 4. Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus 140
- 5. Vergleich 243
- 6. Fazit 258
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 266
- 8. Abbildungsverzeichnis 285
- 9. Dank 288
- 10. Register 289