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200 | Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus
Regen zu Schnee und schließlich auch noch zu einem Hagelgewitter. Trotz der
für die Umstände unpassenden Kleidung der Königin – sie hatte sich einmal
mehr in dem traditionellen Gewand der lokalen Frauen in Form eines kurzen
Rockes aus scharlachroter Wolle und einer weißen Bluse unter einem Wams aus
schwarzem Stoff gekleidet
– erreichte sie das Hospiz von Valdobbia, wo die Feier
stattfand. Nachdem sie sich den Tag über von den Strapazen erholt hatte, brach
sie am Abend auch wieder von dort auf und kehrte schließlich völlig durchnässt
in die Villa Peccoz zurück.
»Es lebe die königliche Alpinistin !«
Wenige Tage später bestieg sie den Albenson im Aostatal und wanderte von dort
aus zu einem Chalet in der Nähe des Cole Pinter, am Fuße der Testa Grigia.
Dort pflückte die Königin Blumen, nach deren Namen sie sich bei den Berg-
bewohnern erkundigte, und an jenem Ort wuchs in ihr auch der Wunsch, den
vor ihr liegenden Gipfel der Testa Grigia zu besteigen. Auf- und Abstieg konn-
ten jedoch beinahe unmöglich an einem einzigen Tag ausgeführt werden und es
standen auch keine Unterkünfte zur Übernachtung zur Verfügung. Der Baron
Peccoz, der die Königin wiederum auf ihrer Wanderung begleitete, schlug ihr
vor, sich doch auf einer Sänfte hochtragen zu lassen. Die Königin jedoch erwi-
derte, »dass sie die Besteigung eher absagen würde, als sich tragen zu lassen«.229
Daraufhin ließ Margherita von Turin aus die Zelte, welche der erste italieni-
sche König, ihr Schwiegervater Vittorio Emanuele II., bei seiner Jagd in Cogne
und Valsavarenche verwendet hatte, zu ihr liefern. Der Aufstieg wurde für den
22. August beschlossen.
Zuvor jedoch wurden nicht nur Zelte, sondern auch
– zum ersten und letzten
Mal – ihr Sohn Vittorio Emanuele von Margherita nach Gressoney zitiert. Ge-
mäß Romano Bracalini soll dieser der Aufforderung nur widerwillig gefolgt sein,
»denn wenn er auch den Berg verabscheute, so wusste er sich der Einladung der
Mutter doch nicht zu verweigern«.230 Zusammen besuchten sie nach einer fünf-
stündigen Wanderung das Fest von San Lorenzo, wozu eigens ein tragbarer Altar
in der Mitte auf einer erhöhten Fläche der Talmulde aufgestellt wurde. Mar-
gherita trug dabei wie gewöhnlich das lokale Kostüm der Alpenbewohnerinnen,
während ihr Sohn sich für einmal in bürgerlichem Aufzug zeigte. Obschon die
229 »che preferiva rinunciare all’ascensione piuttosto che farsi portare«. Bracalini, Romano, La Regina
Margherita, S. 150.
230 »perché pur detestando la montagna non aveva saputo rifiutare l’invito della madre«. Ebd., S.
150.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC
Die Macht auf dem Gipfel
Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Titel
- Die Macht auf dem Gipfel
- Untertitel
- Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Autor
- Eva Bachmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21122-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Alpen, Tourismus, Berge, Alpinismus, Reisen
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung 7
- 2. Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen : Alpine Reisende 26
- 3. British Royalty – das britische Königshaus 51
- 4. Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus 140
- 5. Vergleich 243
- 6. Fazit 258
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 266
- 8. Abbildungsverzeichnis 285
- 9. Dank 288
- 10. Register 289