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236 | Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus
1906 nahm der König außerdem an den Eröffnungsfeierlichkeiten des Sim-
plontunnels teil und hielt sich dazu in Brig auf.385 Dieser Tunnel war für beide
Nationen von Bedeutung, da er den Übergang per Eisenbahn von den italieni-
schen Alpen in das Wallis immens erleichterte. Ein gebührender Anlass, um die
vormals unterkühlte Stimmung zwischen den beiden Ländern offenbar verges-
sen zu lassen. Der polizeiliche Aufwand, um die Bahnstationen und Plätze abzu-
sperren, zu sichern und mögliche anarchistische Angreifer fernzuhalten, gestal-
tete sich als überaus groß. Der Bundesrat traf für ein Mittagessen mit dem König
im festlich geschmückten Brig ein und in separaten Zügen, Vittorio Emanuele
III.
wie gewohnt im königlichen Zug, reisten sie weiter nach Domodossola, wo sie
dinierten und der Abend durch eine Salve von Kanonenschüssen beendet wurde.
Eine geplante Spazierfahrt rund um Brig wurde aus Sicherheitsgründen abge-
sagt. Sechs Jahre zuvor war der Vater des Königs durch den Mordanschlag eines
Anarchisten gestorben. Die Angst vor Anschlägen entbehrte also nicht jeglicher
Grundlage. Wie bereits bei dem vier Jahre zuvor erfolgten Aufenthalt des italie-
nischen Monarchen in Göschenen zeigten sich dann auch nicht alle von dem
königlichen Besuch begeistert, und in einem Aufruf an die Arbeiter in der
Schweiz wurde gar zu einem Generalstreik aufgefordert.386
Im selben Jahr erschien ein Zeitungsartikel über die inzwischen fest etablierten
Sommeraufenthalte des Königspaares in Valdieri in Begleitung ihrer wachsen-
den Kinderschar :
Die königlichen Villen von Sant’Anna – ziemlich bescheiden gebaut, von einer nicht
übermäßigen Anzahl an Lokalen versorgt – liegen auf 800 Metern Höhe, ein wenig
385 Rosmus, Daniela, Die Schweiz als Bühne, S. 64.
386 Im Vorfeld der Feier wurde ein »Aufruf an die Arbeiter aller Länder in der Schweiz« veröffent-
licht, mit dem gegen den Aufenthalt des italienischen Königs in der Schweiz demonstriert wurde,
allerdings mit dem Vorbehalt, dass dies durch einen Generalstreik und nicht durch Gewalt aus-
geführt werden solle : »Arbeiter ! Wir sind es müde geworden, nur für andere zu arbeiten um uns
verleumdet, beleidigt, ausgelacht, ausgewiesen, eingesperrt zu sehen von jenen, die wir erhalten,
von ihnen und ihren Lakaien & Parasiten. Wir sind es müde die Tränen zu sehen, in den Augen
unserer Genossinnen, unserer Kinder, die weinen um ihre Männer und Väter, die von Land zu
Land gehetzt und um ihr Brot gebracht werden. Es ist genug geworden. Emanuel von Savoyen,
der König von Italien, kommt zu Gast ins Land von Wilhelm Tell……..Die Schweizerischen
Republikaner, die Helden von Morgarten und von Sempach, haben ihn eingeladen und werden
ihm ein gutes & reiches Mittagessen servieren.« So die pathetische Begründung der Autoren
für ihre Ablehnung des Monarchenbesuchs. BAR E21#1000/131*14555*, König Viktor Ema-
nuel
III. von Italien, Teilnahme an der Simplonfeier am 19.5.1906 in Brig.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC
Die Macht auf dem Gipfel
Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Titel
- Die Macht auf dem Gipfel
- Untertitel
- Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Autor
- Eva Bachmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21122-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Alpen, Tourismus, Berge, Alpinismus, Reisen
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung 7
- 2. Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen : Alpine Reisende 26
- 3. British Royalty – das britische Königshaus 51
- 4. Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus 140
- 5. Vergleich 243
- 6. Fazit 258
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 266
- 8. Abbildungsverzeichnis 285
- 9. Dank 288
- 10. Register 289