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260 | Fazit
Anstatt mit Prunk und Pomp behangen, begab sich insbesondere Vittorio
Emanuele II. in den Alpen gerne in die Rolle des simplen Bürgers – ebenso
sein Sohn und Nachfolger Umberto I. wie auch dessen Ehefrau Margherita. Sie
transportierten ihr Bedürfnis nach Einfachheit mitunter über die Kleidung und
wurden, entgegen der realen privaten Verhältnisse, als Vorbild bürgerlicher Ehe
gehandelt. Das in der Tat glückliche nachfolgende Herrscherpaar Vittorio Ema-
nuele
III. und Elena hielt an den Grenzen seiner gesellschaftlichen Stellung stär-
ker fest und zog sich in den Alpen in Villen und Schlösser zurück, verband diese
Aufenthalte jedoch trotzdem mit einzeln oder gemeinsam erfolgten Ausflügen
per Automobil.
Bezüglich der Frage nach gesamtgesellschaftlichen Veränderungen von kul-
turellen Präferenzen und Lebensstilen eröffnen sich mehrere Problemfelder. Auf
einer meta- und supranationalen Ebene lässt sich festhalten, dass das »lange«
19. Jahrhundert in Westeuropa mit dem Aufkommen und der Herausformung
einer Freizeitkultur einherging. Diese eröffnete unter anderem auch breiteren Ge-
sellschaftsschichten die Möglichkeit des Reisens zum Genuss, etwa in die Alpen.
Diese Entwicklung vollzog sich im Rahmen der Individualisierung und des Auf-
stiegs des Bürgertums beziehungsweise des Niedergangs der ohnehin zahlenmäßig
immer sehr gering ausfallenden Aristokratie – ergo dem Wandel von einer »Stän-
degesellschaft« zu einer »Klassengesellschaft«.5 Der Historiker Michael Wedekind
erklärt so etwa im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Alpenvereine : »Un-
ter den Zeitgenossen wurde der Alpinismus als moderner und stark luxuriöser
Erlass der progressivsten bürgerlichen Gesellschaften Europas betrachtet.«6
Allerdings entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, den Niedergang des Adels
zu postulieren und gleichzeitig die alpinen Aufenthalte von Souveränen aus
dem erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen italienischen Kö-
nigreich zu untersuchen. Der gesellschaftliche Wandel von einer Stände- zu ei-
ner Klassengesellschaft mit eigener Freizeitkultur vollzog sich zu variierenden
Zeitpunkten in unterschiedlichen Regionen und gerade im Falle Italiens wies
die Bevölkerung große Divergenzen sowohl zwischen Land und Stadtals auch
Norden und Süden auf. Dies obwohl von Seiten der Politik darauf hingearbeitet
wurde, Italien als vereinte Nation mit spezifischer Staatsgesellschaft und Lan-
desbewusstsein zu etablieren.
5 Vgl. Osterhammel, Jürgen, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, S. 1060.
6 »Tra i contemporanei, l’alpinismo era considerato come un’emanazione moderna e fortemente
prestigiosa delle più progressiste società borghesi d’Europa.« Wedekind, Michael, »La politicizza-
zione della montagna«, S. 21.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC
Die Macht auf dem Gipfel
Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Titel
- Die Macht auf dem Gipfel
- Untertitel
- Alpentourismus und Monarchie 1760–1910
- Autor
- Eva Bachmann
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21122-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Alpen, Tourismus, Berge, Alpinismus, Reisen
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung 7
- 2. Wie die Touristinnen und Touristen zum Berg kamen : Alpine Reisende 26
- 3. British Royalty – das britische Königshaus 51
- 4. Casa Reale d’Italia – das italienische Königshaus 140
- 5. Vergleich 243
- 6. Fazit 258
- 7. Quellen- und Literaturverzeichnis 266
- 8. Abbildungsverzeichnis 285
- 9. Dank 288
- 10. Register 289